Sogenannte Dark Patterns sind vor allem im Bereich des Online-Shoppings und des Marketings bekannt. Gemeint sind trickreiche Design-Techniken, die Nutzer*innen dazu bringen, bestimmte Aktionen durchzuführen, die nicht unbedingt in ihrem besten Interesse sind. Ganz im Gegenteil: Dark Patterns werden in vielen Online-Games und Spiele-Apps implementiert, um mehr Geld zu verdienen oder Gamer*innen für lange Zeit zu binden. Kinder und Jugendliche, die solche Mechanismen entwicklungsbedingt noch nicht durchschauen und sich distanzieren können, müssen aufgeklärt und begleitet werden.
Zeit-Patterns
Time Patterns werden implementiert, damit man mehr Zeit als beabsichtigt spielt und so auch mehr Werbung anschaut oder mehr Geld im Spiel ausgibt. Es wird also eine künstliche Sogwelle erzeugt, bei der das Unternehmen auf Kosten von Spieler*innen profitiert.
Tägliche Belohnungen
Die so genannten „Dailies“ begrüßen Spieler*innen, wenn sie sich einloggen, bringen direkt ein angenehmes Belohnungsgefühl und motivieren dazu, auch dann einzuschalten, wenn man eigentlich gar nicht spielen will. Denn wer nicht auftaucht, verpasst die Belohnung. Manchmal gibt es sogar bessere Belohnungen, wenn man jeden Tag spielt und einen „Streak“ (Kette) aufrechterhält. Je konsistenter man spielt, desto besser die täglichen Belohnungen. Bei einem Fehltag „bricht die Kette“ und der Bonus geht verloren. Das bringt deutliche Nachteile, so dass es einen starken Drang geben kann, das Spiel jeden Tag zumindest einmal einzuschalten. In manchen Games gibt es die Möglichkeit, den Streak durch Zahlungen wiederherzustellen.
Spielen nach Zeitplan
Statt selbst zu entscheiden, wann gespielt wird, bestimmt das Game über den Tagesverlauf. Beispielsweise indem es zu bestimmten Tageszeiten oder Kalendertagen bessere Belohnungen gibt oder spezielle Events stattfinden. Manchmal dauern Spielhandlungen eine bestimmte Zeit. Beispielsweise wird der Angriff eines Planeten in Auftrag gegeben und bis die Flotte da ist, dauert es 2 Stunden. Spielende müssen sich dann pünktlich einloggen, um die Kämpfe auszuführen.
Zeitaufwendige sich wiederholende Aufgaben
Das Grinden bezeichnet eine mühselige, monotone Tätigkeit, die ein bestimmtes Ziel verfolgt. Beim Level grinden besiegt man immer und immer wieder die gleichen Gegner, um irgendwann genügend Erfahrungspunkte zu haben und aufzusteigen. Spieler*innen haben hierbei am Anfang schnelle Erfolge, die dann im Verlauf viel Zeit in Anspruch nehmen. Beispielsweise müssen im ersten Level 4 Gegner für den Levelaufstieg besiegt werden, im 2. Level sind es 12, im dritten Level dann schon 25 usw.
Künstliche Wartezeiten
In manchen Online-Games muss eine Zeit gewartet werden, um die neue Runde zu spielen oder bis die Leben regeneriert sind. Diese künstliche Wartezeit kann durch das Anschauen von Werbeclips oder dem Einsatz von Geld übersprungen werden.
Monetäre-Patterns
Die Entwicklung von digitalen Spielen kostet Geld. Umso verständlicher ist es, dass Anbieter ein kommerzielles Interesse verfolgen und neue Vermarktungsstrategien neben dem einmaligen Kauf und dem Abonnement nutzen. Doch gerade für jüngere Spieler*innen kann es schwierig sein, den Überblick hinsichtlich der anfallenden Kosten zu behalten und sie können schwerer den Verlockungen standhalten.
Premiumwährung
In vielen Games gibt es eine Premiumwährung, die gegen echtes Geld eingetauscht werden kann. Dies können Edelsteine, Münzen oder etwas anderes sein, das spezifisch für das Spiel ist. Diese In-Game-Währung wird dann verwendet, um Waffen oder Gebäude aufzurüsten, Spielvorteile freizuschalten oder sonst wie im Spiel voranzukommen.
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Der Wechselkurs zwischen echtem Geld und der Premium-Währung verschleiert oft den tatsächlichen Preis der Einkäufe im Spiel. Dies wird dadurch noch unübersichtlicher, da der Tausch größerer Pakete von Premium-Währung oft einen besseren Wechselkurs bietet.
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Manchmal bleibt auch beim Tausch bewusst ein hoher Betrag an Premium-Währung übrig und ein weiterer Zukauf wird notwendig, um den Rest nicht zu verschwenden und sinnvoll zu investieren.
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In der Regel gibt es keine Limits für die Menge an Premium-Währung, die gekauft werden kann, was dazu führen kann, dass erfolgsorientierte Gamer*innen riesige Summen ausgeben. Diese Art von Spieler*innen werden aufgrund ihrer hohen Ausgaben „Whales“ genannt. Weniger als 2% der Nutzer*innen eines kostenlosen Games geben laut Statistiken Geld für Premium-Währung aus.
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Pay2Win
Im Internet werden zahlreiche Gratis-Spiele angeboten. In den meisten Fällen sind jedoch lediglich die Grundfunktionen kostenlos. Bei Pay2Win-Games können sich Spieler*innen ihr Glück oder den Erfolg erkaufen, was bei Multiplayer-Spielen zu einer Wettbewerbsverzerrung führen kann. Beispielsweise müssen nicht zahlungswillige Spieler*innen eine halbe Stunde warten, bis sie das nächste Haus bauen können. Die Zahlung von Echtgeld ermöglicht es hingegen, diese Wartezeit deutlich zu verkürzen. Hinzu kommen besonders mächtige Waffen oder Spezialfähigkeiten. Kleinstbeträge zwischen 0,99 € und 4,99 € verleiten zum schnellen Kauf und können sich schnell aufsummieren.
Hier sind vor allem Eltern gefragt, ihren Kindern den bewussten Umgang mit Bezahlmethoden zu vermitteln. Denn insbesondere für jüngere, unerfahrene oder erfolgsorientierte Heranwachsende können solche Vertriebswege in einer Kostenfalle enden.
Lootboxen
Manche digitale Spiele beinhalten Elemente, die an Glücksspiele erinnern. Statt den Fähigkeiten von Spielenden bestimmt der Zufall über die ausgeschüttete Belohnung. Die Diskussion hat mit der Mechanik von Lootboxen an Fahrt aufgenommen. Dies ist der englische Begriff für Beutekisten, die je nach Spiel mit Inhalten wie nutzbringenden Gegenständen, Figuren oder reinen Statussymbolen ohne Funktion, wie optische Verschönerungen und Frisuren, gefüllt sind. Diese können in der Regel erspielt, aber auch durch den Einsatz von Echtgeld erkauft werden. Der Inhalt ist dabei zufällig generiert, wobei besonders wertvolle Gegenstände entsprechend selten vorkommen. Oft erinnert auch die audiovisuelle Gestaltung an Spielhallenautomaten. Besonders problematisch ist der Aspekt, dass Spielende aufgrund der Unvorhersehbarkeit eine Vielzahl an Lootboxen kaufen müssen, bis schließlich das begehrte digitale Objekt in den eigenen Besitz übergeht.
Es stellt sich die Frage, ob Lootboxen Glücksspiel sind. Eine Definition des Glücksspiels findet sich gleichsam im Glückspielstaatsvertrag und im Strafgesetzbuch. Beide Gesetzestexte kennzeichnen sich allerdings durch eine differente Herangehensweise, weshalb die Frage nicht abschließend geklärt ist. Zudem unterscheiden sich Lootboxen stark voneinander. Beispielsweise hinsichtlich ihrer Funktionsweise, der Einbindung ins Spiel, der Kosten, der Gewinnausschüttung und ob diese überhaupt einen objektiven Wert besitzen, in den getauscht werden kann. Die Unterhaltunssoftware Selbstkontrolle (USK) schätzt Lootboxen zwar nicht als Glücksspiel ein, rät allerdings allen Erziehungsverantwortlichen, solche Mechanismen bei der Medienerziehung kritisch zu hinterfragen und Regeln zu vereinbaren.
Künstliche Knappheit
“Beeil dich, nurnoch 4 Platin-Rüstungen vorrätig!” – Menschen begehren Dinge mehr, wenn sie knapp sind und bekommen F.O.M.O. (Fear of missing out – Die Angst, etwas zu verpassen). Doch warum ist das digitale Gut knapp? Natürlich nur, um künstlichen Druck aufzubauen. Wenn in digitalen Spielen signalisiert wird, dass es nur noch wenige virtuelle Gegenstände gibt und dies ggf. noch mit einem zeitlichen Handlungsdruck verbunden wird, kann dies zu einer unüberlegten Konsumentscheidung führen.
Pay2Skip
Bezahlen zum Überspringen ist ein Dark Pattern, das Spieler*innen zum Geld ausgeben animiert, um Teile des Spiels zu überspringen. Beispielsweise Passagen, für die sie keine Geduld haben oder die zu schwer sind. Manchmal muss gewartet werden, bis ein Timer abgelaufen ist, um eine neue Runde zu spielen. Eventuell wird die Wartezeit im Laufe des Spiels immer länger, wodurch Spielende beinahe schon dazu gezwungen sind, zum Überspringen zu bezahlen.
Soziale-Patterns
Gemeinsam zu spielen macht oft am meisten Spaß. Manche Spieleentwickler verwenden allerdings Tricks wie Konkurrenzsituationen oder Verpflichtungsgefühle, um Druck aufzubauen. Gerade für Jugendliche ist die Peer-Group sehr wichtig. Sie wollen akzeptiert werden und dazu gehören, weshalb sozialer Druck eine starke Wirkung entfaltet.
Soziales Pyramidenschema
Ein Pyramidenschema ist bekannt vom finanziellen Betrug. Hier wie dort wird das Anwerben von neuen Nutzer*innen belohnt. In manchen Games sind bestimmte Bereiche oder Funktionen erst dann verfügbat, wenn eine bestimmte Zahl an neuen Spieler*innen rekrutiert wurden.
Bestenlisten und sichtbare Erfolge
Auch durch den kompetitiven Vergleich in Form von Trophäen, Achievements, Tabellen oder Bestenlisten können Spielende unter einen gewissen Konkurrenzdruck geraten. Im Sportspiel kann man allerdings nur dann oben mitspielen oder sogar in die nächst höhere Liga aufsteigen, wenn entsprechend viel trainiert wird. Da die vom Spiel zugewiesenen Kontrahent*innen meist über eine ähnliche Spielpraxis und Fähigkeit verfügen, gilt auch hier: Die ersten Erfolge stellen sich meist schnell ein, doch an die Spitze kommen nur die Wenigsten – und das mit hartem und zeitintensivem Training.
Besonders problematisch sind Bestenlisten in Verbindung mit Pay2Win: Wenn sich Spielende durch den Einsatz von Echtgeld ganz nach oben kaufen, kann bei erfolgsorientierten Jugendlichen der Reiz entstehen, es ihnen gleichzutun.
Soziale Verpflichtung
Viele Games fordern das Spielen im Verbund, beispielsweise in einer Gilde, einem Team oder Clan, denn bestimmte Aufgaben können nur gemeinsam gelöst werden. Dies ist zunächst spannend und reizvoll. Erfolgsorientierte Gemeinschaften treffen sich mehrmals pro Woche, oft sogar täglich für jeweils einige Stunden. Damit verbunden ist auch ein gewisser Druck, teilnehmen zu müssen. Schließlich möchte man als verlässlich wahrgenommen werden und zu einem vereinbarten Termin pünktlich eingeloggt sein, um den festen Stammplatz in der Gemeinschaft nicht zu gefährden.
Damit verbunden sind manchmal Sammelaufgaben oder andere Dienste für die Gemeinschaft. Beispielsweise das Aufleveln der Spielfigur oder Sammeln von Kräutern für Heiltränke, was zahlreiche Spielstunden pro Woche in Anspruch nehmen kann. Jugendliche können in einen Zwiespalt zwischen den Verpflichtungen gegenüber der Spielgemeinschaft und denen des Alltags, wie Hausaufgaben oder Sporttraining, geraten.
Verknüpfung mit Social Media Accounts
In manchen Spielen wird aggressiv damit geworben, das Spiel mit Social Media Accounts zu verknüpfen und teils gibt es dafür auch Vorteile. Hierdurch ist das Spiel auch dann sichtbar, wenn es gar nicht genutzt wird. Durch sehr fordernde und verlockende Botschaften auf den Social-Media-Kanälen kann der Druck zum Spielen zusätzlich steigen.
Psychologische-Patterns
Games können viele psychologische Tricks verwenden, um Nutzer*innen dazu zu bringen, weiterzuspielen, selbst wenn das Spiel nicht mehr spaßig ist. Beispielsweise indem schnelle und unüberlegte Entscheidungen provoziert werden oder ständige Belohnungen die Motivation steigern.
Investierter Wert
Dieses Pattern basiert auf der grundlegenden Psychologie des Widerwillens eines Menschen, etwas aufzugeben, in das viel investiert wurde. Wenn Nutzer*innen eine bestimmte Menge an Geld und Zeit in das Spiel investiert haben, ist es nicht einfach, es wegzuwerfen. Leider erfordern manche Spiele auch, dass man Stunden/Geld für die Anpassung ausgibt, was den subjektiven Wert höher erscheinen lässt als er tatsächlich ist.
Fortschritt
Die Psychologen Joseph C. Nunes und Xavier Dreze haben eine Hypothese aufgestellt: Wenn Menschen glauben, einen Vorsprung beim Erreichen eines Zieles zu haben, sind sie eher bereit, härter und schneller zu arbeiten. Vor allem wenn sie künstliche Fortschritte als Anreiz erhalten – ein Versprechen einer zukünftigen Belohnung. Dies kann dazu verleiten, dass weitergemacht wird, um den vorgeblichen Fortschritt nicht zu verschwenden oder um das Ziel schneller zu erreichen.
Fortschrittsbalken, Punkte, Scores und Checklisten sind Instrumente, mit denen sich die Motivation steigern lassen. Oder auch Nachrichten wie “Besiege 20 Gegner für eine Belohnung” können zu einem unerledigten Gefühl werden, das bei Spielenden Druck erzeugt. Das Erledigen vermittelt hingegen das Gefühl von Erfolg. Das kann Spielende motivieren, mehr Zeit als geplant in dem Spiel zu verbringen oder Geld auszugeben, um Aufgaben zu überspringen.
Illusion von Kontrolle
Wer kennt sie nicht, die Krallenmaschinen auf dem Rummelplatz, und hat hier schon einige Euros verspielt? Der Trick ist: Sie greifen oft nicht mit voller Power zu, weshalb das Stofftier dann doch wieder runterfällt. Manchmal aber gewinnt man und fühlt sich dann sehr geschickt. Dabei entscheidet die Maschine, dass nun Zeit für einen Gewinn ist. Genauso, nur noch viel ausgefeilter, passiert es auch in manchen digitalen Spielen. Gamer*innen wird die Illusion von Kontrolle gegeben, bis das Spiel diese wieder entzieht. Bei zu vielen Fehlversuchen wird es dann plötzlich viel leichter und Spielende denken, sie hätten sich verbessert. Gewinnen oder verlieren ist hier aber kein Können, sondern eine Entscheidung des Systems.
Ästhetische Manipulation
Es gibt viele verschiedene Arten, Spieler*innen audiovisuell zu beeinflussen. Spieler*innen wollen eine motivierende Atmosphäre genießen, daher ist dies nicht per se verwerflich. Problematisch wird es immer dann, wenn ästhetische Aspekte implementiert werden, um Spieler*innen zum Geld oder Zeit investieren anregen sollen.
- Wir alle kennen den Klang von Spielhallen oder Casinos. Überall ringt und klingelt es, der Sound des Gewinnens liegt in der Luft. Games mit glücksspielähnlichen Mechanismen oder mit simuliertem Glücksspiel nutzen diese Klangkulisse ebenfalls, um übermäßiges Feedback zu geben. Gleiches gilt für die bunte und glitzernde Kulisse.
- Spielenden wird mit emotional aufwühlenden Bildern und Sounds suggeriert, dass etwas ganz Schlimmes passiert. Z.B. stirbt die liebgewonnene Figur oder ihr Haustier, wenn man das Game vernachlässigt, was dann mit dem Einsatz von wertvoller In-Game-Währung “geheilt” werden kann.
- Manchmal wird auch mit unseren Gewohnheiten gespielt. Beispielsweise wenn der Knopf, um eine Handlung abzubrechen grün ist anstatt rot, wie es eigentlich zu erwarten wäre. Oder es werden unklare Fragen gestellt, z.B.: “Willst du wirklich nicht abbrechen?”
- Putzige Spielwelten mit süßen Tierchen mit Kulleraugen oder vielen bunten Bonbons wecken unterbewusste und positive Assoziationen und machen das Game begehrlicher.
Dürfen Anbieter das?
Es ist wichtig zu beachten, dass die meisten Dark Patterns nicht illegal sind. Manchmal sind sie sogar aufgrund von Belohnungen beliebt und gewollt. Tangieren Dark Patterns die Glücksspielthematik, kann es einen Einfluss auf das Alterskennzeichen haben. Ob ein besonders drastisch eingesetztes Dark Pattern ungesetzlich oder noch vertretbar ist, mussr im konkreten Einzelfall entschieden werden. Hinzu kommt: Dark Patterns als Massenphänomen sind relativ neu. Ob die vorhandenen Gesetze ausreichen, um Spieler*innen ausreichend zu schützen, ist eine Frage, die die Gerichte, die Politik und Interessensverbände, wie die Verbraucherzentralen, aktuell diskutieren.
Jugendschutz.net hat die Jugendschutzproblematik manipulativer Spieldesigns in Free2Play-Apps in einer Veröffentlichung untersucht.
Dark Pattern Games ist eine englischsprachige Website mit Spiele-Beurteilungen mit dem Fokus auf die hier besprochenen Mechanismen. Sie ist die primäre Quelle dieses Artikels und bietet sehr ausführliche Informationen und Beispiele.