Spielend Lernen

Spielen und Lernen ist kein Widerspruch: in der menschlichen Entwicklung sind diese beiden Aspekte seit jeher eng miteinander verbunden. Und so ist es kaum verwunderlich, dass manche Games auf die spielerische Form der Wissensvermittlung und des Kompetenzerwerbs setzen. Aber auch in Games zur Unterhaltung können sich Spieler*innen zahlreiche Kompetenzen aneignen.

Ein Jugendlicher spielt am Laptop und eine Medienpädagogin schaut dabei zu.

Wie eignen wir uns beim Spielen Kompetenzen an?

Der Lernprozess ist ein psychologischer Vorgang, welcher sich facettenreich gestaltet. Dass man in einem gut gemachten und darauf ausgelegten Spiel (Fakten-)Wissen lernen kann, steht in der wissenschaftlichen Diskussion außer Frage. Ein Spiel, in dem Rechenaufgaben vorkommen, trainiert mathematische Fähigkeiten. Die Ausprägung des Lernerfolges ist jedoch sehr unterschiedlich und abhängig von verschiedenen Faktoren: Interessiere ich mich für das Thema? Habe ich auch Erfolge und eine entsprechende Rückmeldung vom Programm? Wie ansprechend sind Spielen und Lernen miteinander verbunden? Sind die Aufgabenstellungen zu leicht oder zu komplex?

Grundsätzlich unterscheidet sich die Art, wie gelernt wird. Die bewusste Aneignung von Wissensinhalten, z.B. durch ein Mathe-Lernprogramm, wird als explizites Lernen verstanden. Dieses findet im Schulunterricht oder bei den Hausaufgaben statt. Als implizites Lernen wird hingegen die unbewusste Aneignung von Fertigkeiten und Kompetenzen während einer Tätigkeit bezeichnet. Beispiele hierfür sind die motorischen Fertigkeiten beim Radfahren oder die Fähigkeit, sozial agieren zu können. So ist es auch möglich, in herkömmlichen Computerspielen etwas zu lernen, wenn diese nicht explizit darauf ausgelegt sind. Denn auch hier werden (je nach Genre und Komplexität) zahlreiche Kompetenzen gefordert, um erfolgreich sein zu können. Diese unterteilt Prof. Dr. Jürgen Fritz in folgende Kategorien: 

  • Sensomotorisch: Auge-Hand-Koordination, Reaktionsschnelligkeit, Konzentrationskraft, Navigieren und Lenken. 
  • Kognitiv: Räumliches Orientierungsvermögen, Gedächtnisfähigkeit, Kombinationsfähigkeit, Lernfähigkeit, Experimentierfreudigkeit, Zeitmanagement, Ressourcenmanagement, Planungskompetenz, Problemlösungskompetenz, Sachkompetenz.
  • Emotional: Gefühlsmanagement, Stressresistenz, Selbstdisziplin, Erfolgsmotivation, Ausdauer, Emotionale Selbstmedikation.
  • Sozial: Kooperationsfähigkeit, Hilfsbereitschaft, Empathie, Teamfähigkeit. 

Kann im Spiel Gelerntes in den Alltag übertragen werden?

Gamer*innen können Schemata erwerben, diese auf ähnliche Spielsituationen übertragen und entsprechend nutzbar machen. Wer also bestimmte Arten von Spielen eines gewissen Genres kennt und die Steuerung erfolgreich beherrschen gelernt hat, kann diese erworbenen Kompetenzen dazu nutzen, um gleichartige Spiele mit ähnlichen Steuermechaniken und Anforderungen nach kurzer Übung erfolgreich zu meistern. Diesen Transfer eines gelernten Schemas auf ein ähnliches Spielprinzip nennt man intramondialen Transfer

Die Möglichkeit, das in der virtuellen Spielwelt Gelernte auch abseits des Spiels in der realen Welt nutzbar machen zu können, nennt man einen intermondialen Transfer. Dies würde also bedeuten, dass die in der Spielumgebung gelernten Fähigkeiten auch in der Realität weiterhelfen können. Ob die oben beschriebenen durch Gaming geforderten Kompetenzen nicht nur in der virtuellen Welt Gültigkeit und Wirksamkeit besitzen, sondern auch in der realen Welt, ist eine zentrale Fragestellung der Wirkungsforschung digitaler Spiele. Studienergebnisse zeigten u.a., dass die gewonnenen Schemata zwar in anderen Spielen hilfreich sind, diese jedoch zum großen Teil eher nicht auf reale Situationen angewendet oder übertragen werden können. Ausnahmefälle sind soziale Fähigkeiten, wie Teamgeist, Kooperationsfähigkeit und Empathie. Durch den Umgang mit real existierenden Personen in Spielen sind hier Aneignungsprozesse zu vermuten.

2 Jugendliche spielen gemeinsam am Tablet.

Lernspiele und Serious Games

Interesse, Motivation und Spaß gelten als eine Basis erfolgreichen Lernens. Die Vermittlung von Wissen, welches eingebettet ist in eine Geschichte und spielerisch geschieht, soll Kinder und Jugendliche motivieren, sich Lerninhalte lustvoll und „ganz nebenbei“ anzueignen. Schon von klein auf setzen sich Menschen spielerisch mit ihrer Umgebung auseinander und erwerben so kognitive und motorische Fähigkeiten. Hier setzt Lernsoftware an und verbindet die spielerische Unterhaltung mit einem Bildungsanspruch. Wissensvermittlende Spiele tragen zumeist kein Alterskennzeichen der USK, sondern sind als Lehrprogramm gemäß §14 JuSchG gekennzeichnet. Auch unterscheiden sie sich hinsichtlich ihres Inhalts und werden herkömmlich in folgende (Unter-)Genres eingeteilt:

  • Lernprogramme wollen Schul- oder Faktenwissen vermitteln und konzentrieren sich zumeist auf ein Fach und eine Altersgruppe (z.B. Mathematik, 5. Klasse). Die Wissensvermittlung steht im Vordergrund und festgelegte Lernziele werden verfolgt. 
  • Edutainment-Programme (Wortspiel aus Education und Entertainment) betten dieses Schul- und Faktenwissen in eine spielerische Umgebung ein. Spielziele und damit verknüpfte Erfolge sollen einen Anreiz schaffen und die Lerninhalte quasi nebenbei vermitteln.
  • Infotainment-Programme (Wortspiel aus Information und Entertainment) ähneln einem interaktiven Sachbuch. Verschiedene Themen, wie z. B. Ägypten, Raumfahrt, Ritter oder Dinosaurier werden so virtuell spielerisch erfahrbar gemacht. 
  • Serious Games ist ein erweiterter Begriff für Edutainment-Programme. Sie werden u.a. auch in der politischen Bildung, im militärischen Kontext, im Bereich Gesundheit oder der Bewegungstherapie genutzt. Hierbei soll die aus Spielspaß entstehende Motivation genutzt werden, damit sich Spieler*innen mit ernsthaften Themen auseinandersetzen, um bereits vorhandenes Wissen im Spiel anzuwenden und neue Erfahrungen zu sammeln.

Der Einsatz solcher Spiele kann eine Erfahrungs- und Lernumgebung schaffen, die auf die individuellen Bedürfnisse der Spieler*innen abgestimmt ist und es ihnen ermöglicht, in ihrem eigenen Tempo zu erkunden und eigene Entscheidungen zu treffen. Da viele solcher Games nicht mit der Qualität beliebter Blockbuster-Titel mithalten können, ist eine Förderung von Games für die Bildung wichtig.

Lernspiele sind keine Wundermedizin. Sie können eine unterhaltsame und sinnvolle Ergänzung zum gängigen Unterricht und ein Ansporn für das Lernen Zuhause sein, ersetzen allerdings weder die Hausaufgaben noch das Lernen abseits des Bildschirms.