Digitale Spiele sind fester Bestandteil der Freizeitgestaltung von Kindern und Jugendlichen. Insbesondere das Online-Gaming mit- oder gegeneinander erfreut sich bei Heranwachsenden großer Beliebtheit. Hier können sie über Kommunikationsfunktionen allerdings nicht nur mit Freund*innen, sondern auch fremden Personen in Kontakt treten. Die Interaktion mit ihnen birgt dabei potentielle Gefahren, die auch als Kontaktrisiken bezeichnet werden. Diese treten in verschiedenen Formen auf. Dazu zählen Funktionen wie Text-, Sprach- oder Videochats innerhalb des Spiels, aber auch Begleitplattformen wie der Kommunikationsdienst Discord und Diskussionsforen. Manchmal beschränkt sich der Chat aber auch auf vorgegebene Gesten oder Sätze, was wesentlich sicherer ist als eine direkte Kommunikation. Daher lohnt es sich zu informieren, welche Möglichkeiten und Schutzfunktionen es im jeweiligen Game gibt. Außerdem ist es wichtig, Regeln des Fair Gamings zu kennen und als Pädagog*innen oder Eltern zu vermitteln.
Konflikte im Spiel – ist das normal?
Neben Spaß und Gemeinschaft gehören Konflikte manchmal zum Spiel dazu. Man denke nur an die herumfliegenden Figuren bei einer Partie „Mensch ärgere Dich nicht“, Regeldiskussionen beim Kartenspiel oder frustrierte Jugendliche nach einem verlorenen Fußball-Match. Heranwachsende müssen lernen, mit Frustration umzugehen und Niederlagen zu verkraften, aber auch Siege ohne Spott und Häme zu feiern.
Zudem pflegen Jugendliche auch in Online-Games eine eigene Sprache, die Eltern problematisch vorkommen kann. In vielen Games gibt es einen typischen Sprachgebrauch und bestimmte Redewendungen, die auf Außenstehende irritierend wirken können. Häufig beziehen sie sich jedoch auf die Handlung und Zusammenhänge im Spiel und sind in diesem Kontext oft eher scherzhaft gemeint.
Das gemeinsame Spielen über das Internet bietet jedoch auch Möglichkeiten einer prosozialen Wirkung. Gemeint sind Kompetenzanforderungen und der mögliche Kompetenzerwerb in den Bereichen Kommunikation, Kooperation, Teamfähigkeit, Akzeptanz – also das Verhalten untereinander. Außerdem ist Gaming ein geteiltes Hobby und Thema im Freundeskreis.
Warum gibt es in Online-Games oft toxisches Verhalten?
Leider wird manchmal aus Spaß bitterer Ernst und es kommt zu schädlichen Verhaltensweisen von Spieler*innen, die als Toxic Gaming bezeichnet werden. Bei Online-Games ist die Hemmschwelle für verbale Entgleisungen um einiges niedriger, insbesondere im Wettbewerb oder bei hohem Erfolgsdruck. Gerade die scheinbare Anonymität im Internet sorgt dafür, dass Menschen sich den Folgen ihrer Worte oft nicht bewusst sind. Sie sehen weder die Reaktion ihres Gegenübers oder die Betroffenen lassen sich ihr Empfinden nicht anmerken. Zudem fürchten sie in Online-Umgebungen weniger negative Konsequenzen, da diese online nicht greifbar sind. Anstatt konstruktivem Feedback werden Neulinge in Communities oft beleidigt und gedemütigt. Und auch auf Plattformen, die Games zum Thema haben, sind rüde Verhaltensformen keine Seltenheit. Zu nennen sind hier Video- oder Streaming-Plattformen wie YouTube oder Twitch, bei denen Zuschauer*innen anderen Personen beim Spielen zuschauen.
Welche Formen problematischer Online-Begegnungen gibt es?
Auf der Suche nach Informationen zu problematischen Aspekten der Kommunikation im Internet begegnet man schnell Begriffen wie „Hate Speech“ oder „Cyber-Mobbing“. Die klicksafe-Handreichung Ethik macht Klick ordnet die verschiedenen Bereiche von toxischem Verhalten ein, die häufig im Bereich des Gaming auftreten. Toxic Gaming ist hierbei ein Sammelbegriff und vereint viele unterschiedliche Aspekte von problematischen Spielbegegnungen, die jeweils eigene Bezeichnungen haben.
Unter Shitstorm ist eine Welle der Empörung zu verstehen, die sich unter verschiedenen Nutzer*innen verselbstständigt. Der Impuls dazu entsteht aus der stark emotionalisierten Auffassung einer Thematik, die sich bereits weit von einer sachlichen Debatte/Beschäftigung entfernt hat. Manchmal wird hier ein bestimmtes Thema öffentlich kritisiert. Nicht selten passiert es aber auch auf der persönlichen Ebene, z.B. wenn eine Person aus einer Community einen Shitstorm über sich ergehen lassen muss, weil sie im Spiel Fehler gemacht hat.
Unter Bashing werden regelrechte Beschimpfungskriege verstanden, die oftmals ausarten und emotional aufgeladen geführt werden. Beispielsweise kann es durchaus vorkommen, dass aus Spaß schnell bitterer Ernst wird, wenn zwei Gilden oder Clans innerhalb eines Spiels in starker Konkurrenz stehen. Vergleichbar ist dieses Verhalten mit den Auseinandersetzungen von Fans unterschiedlicher Fußballvereine.
Trolling ist bewusst aggressives Verhalten zur eigenen Unterhaltung. Die sogenannten „Trolls“ stören bewusst Konversationen und Interaktionen zwischen anderen Spieler*innen durch unsachliche Einwürfe, Sabotage, respektloses Verhalten und die Absicht, Ärger innerhalb einer Gemeinschaft zu schüren.
In Spieler*innen-Kreisen wird das rüde, beleidigende und – im Sinne des Teamplays – unfaire Verhalten als Toxic Behaviour bezeichnet. Hierzu gehören neben den oben genannten Bereichen auch unfaire Spielhandlungen wie bewusstes Cheaten, Spielabbrüche, absichtliches virtuelles „Sterben“ und andere Verhaltensweisen, wenn sie dem Gedanken des Teamplay zuwiderlaufen und vorsätzlich geschehen.
Cyber Grooming im Kontext von Online-Games beschreibt den Versuch eines Menschen, das Vertrauen eines Kindes oder einer jugendlichen Person zu gewinnen, um sie dann zu sexuellen Handlungen zu drängen oder zu überreden. Dies kann sowohl über den Chat des Spiels oder auch über Begleitplattformen wie Discord oder Foren passieren. Gerade weil in digitalen Spielwelten viele Minderjährige unterwegs sind, finden hier auch immer wieder solche Straftaten statt.
Rassismus, Sexismus, Diskriminierung
In Online-Games, aber auch in anderen Bereichen der Gaming-Communities wie in Live-Streams oder bei eSport-Turnieren, müssen sich Angehörige marginalisierter Gruppen regelmäßig Anfeindungen stellen. Rassistische Beleidigungen, Reproduktion von Stereotypen oder das Fehlen von Vielfalt und Repräsentation können zu einem unangenehmen und feindseligen Umfeld führen. Häufig werden Menschen verschiedener ethnischer Hintergründe aufgrund ihrer Herkunft oder ihres Aussehens ausgegrenzt oder diskriminiert. Gleiches gilt für Menschen mit Behinderungen oder die sich nicht heteronormativen Geschlechteridentitäten oder sexuellen Orientierungen zuordnen. Mittlerweile nutzen einige rechtsextreme Gruppen Games und ihre Kanäle, um ihr Gedankengut zu verbreiten.
Frauen und queere Menschen werden ebenfalls häufig mit abwertenden Kommentaren, Belästigung, Schikanen oder dem Gefühl der Ausgrenzung konfrontiert. Es kommt hier oft zu Stereotypisierungen, die ihre Fähigkeiten und ihre Zugehörigkeit zur Gaming-Community in Frage stellen. Eine toxische Minderheit innerhalb der Szene ist besonders aktiv und so laut, dass Mädchen und Frauen sich in diesem Kontext oft so fühlen, als müssten sie ihr Hobby legitimieren oder den Sprachchat deaktivieren, um nicht als weibliche Spielerin erkannt zu werden.
Wichtig ist, dass der allergrößte Teil der Spieler*innen sexistische, rassistische und antisemitische Haltungen ablehnt. Dennoch ist eine laute und entschiedene Haltung gegen Menschenfeindlichkeit in den entsprechenden Communities zu leise oder unterrepräsentiert. Hier gilt es Kinder und Jugendliche zu motivieren, ihre Stimme zu erheben und Haltung einzunehmen.
Das Projekt Good Gaming – Well Played Democracy der Amadeu Antonio Stiftung entwickelt Kampagnen, die in Kooperation mit passionierten User*innen eine klare Haltung transportieren: Für eine starke digitale Zivilgesellschaft im Gaming! Bei Digital Streetworks suchen Mitarbeiter*innen die Plattformen im digitalen Raum auf, um gegen Hass und Hetze einzustehen.
Jugendschutz
Interaktionsrisiken in Online-Games können Kinder und Jugendliche in ihrer Entwicklung beeinträchtigen. Deshalb finden Kommunikationsfunktionen durch die Novellierung des Jugendschutzgesetzes (JuSchG) Eingang in die Altersbewertung, wenn sie die Alterseignung des digitalen Spiels wesentlich prägen. Dies bedeutet, dass beispielsweise offene Chats, die eine Kontaktanbahnung ermöglichen und damit Einfallstor für Beleidigungen sein können, nun bei der gesetzlichen Altersfreigabe der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) berücksichtigt werden können (siehe usk.de).
Um Orientierung zu bieten, finden sich seit 2023 Zusatzinformationen auf den Spieleverpackungen und in vielen Online-Stores, die auf vorhandene Chatfunktionen hinweisen. Weiterhin werden Anbieter gesetzlich in die Pflicht genommen, einzelfallbezogen wirksame und angemessene Vorsorgemaßnahmen zum Schutz von Kindern- und Jugendlichen auf ihren Angeboten zu etablieren bzw. deren sichere Teilhabe zu ermöglichen (§ 24a JuSchG). Gemeint sind beispielsweise Hilfe- und Beschwerdesysteme sowie sichere Voreinstellungen. Hierfür zuständig ist die neu geschaffene Bundeszentrale für Kinder und Jugendmedienschutz.
Viele Gaming-Plattformen und -Entwickler*innen haben bereits Maßnahmen ergriffen, um Toxic Gaming einzudämmen. Spieler*innen, die sich problematisch verhalten, können mit Sanktionen belegt werden, wie beispielsweise vorübergehende oder permanente Sperrungen ihrer Konten.
Toxic Gaming in der pädagogischen Praxis
Es ist wichtig Heranwachsende stark zu machen, damit sie bewusst auf ihr eigenes Verhalten achten und eine positive Spielumgebung fördern. Respekt, Freundlichkeit und Fairness sollten die Grundlage des Spielens sein, um eine gesunde und angenehme Community zu schaffen. Und bei der Sensibilisierung und Stärkung von Kindern und Jugendlichen kann die Spielpädagogik einen wertvollen Beitrag leisten. Die pädagogische Einrichtung kann zudem zum Safe Space für junge Gamer*innen werden, in dem sie nicht marginalisiert werden und offen über ihre Erfahrungen und Herausforderungen beim Gaming sprechen können. Jugendliche brauchen Ansprechpersonen, um ihre Sorgen und Frustrationen zu teilen, und die ihnen aufmerksam zuhören und adäquat helfen können.
Beim Einsatz digitaler Spiele in der pädagogischen Arbeit sollten Regeln des Fair Plays gemeinsam mit den Kindern und Jugendlichen schon im Vorfeld formuliert werden, um Konflikten vorzubeugen. Sie müssen wissen, wie sie sich verhalten können, wenn es zu Problemen kommt. Diese Erfahrung lässt sich auch auf andere Bereiche der Online-Kommunikation übertragen. Denn hier wie dort gilt es, selbst nicht zu beleidigen und Täter*innen zu melden, zu blockieren und Beweise zu sichern. Und gerade wenn andere gemobbt werden, ist Counterspeech (Gegenrede) immens wichtig, um Betroffene zu unterstützen. Durch prosoziales Verhalten können sie ein positives Umfeld in der Community fördern und andere dazu ermutigen, ebenfalls respektvoll zu handeln.
Gezielte pädagogische Projekte zum Thema Games können die Reflektion noch zusätzlich unterstützen. Beispielsweise indem kooperative Games eingesetzt werden, die einen respektvollen und konstruktiven gemeinsamen Umgang fordern. Im spielpädagogischen Bereich lassen sich beispielsweise auch Games in die Realität übertragen und Konfliktsituationen sowie Lösungsansätze thematisieren. Beispielsweise indem das beliebte Shooter-Spiel Fortnite in die Turnhalle transformiert wird. Auch hierbei kann es eine gezielte Sensibilisierung geben, wie wir miteinander (on- und offline) umgehen sollten.