1979 Revolution: Black Friday
Ein atmosphärisch dichter Blick auf die Islamische Revolution im Iran.
Jugendschutz & Altersempfehlung
Spielmodi:
- nur alleine spielbar
Pädagogische Altersempfehlung
Das Spielerlebnis ist aufgrund der Thematik und der Inhalte psychisch herausfordernd.
Spielbeschreibung
1979, Teheran, Iran – Schah Pahlavi wird abgesetzt. Die Monarchie im Iran ist damit beendet. Die Revolutionsfigur Ajatollah Chomeini reißt die Macht gewaltsam an sich, wird neues Staatsoberhaupt und ruft die Iranische Republik aus. Bevor es jedoch zur Islamischen Revolution kommt, bestimmen teils blutige Demonstrationen den Alltag in Teheran. 1979 Revolution: Black Friday versetzt die Spieler*innen in jene Zeit und an jene Orte. In der Rolle des jungen studentischen Fotografen Reza Shirazi wird man nun ganz im Stile interaktiver Filme durch das Wirrwarr zwischen Kommunisten, Schah-Anhänger, Soldaten, Milizen und etlicher anderer Gruppierungen manövriert.
Pädagogische Beurteilung
Harter Einstieg
Dunkelheit, dann eine Texteinblendung: Gefängnis Evin. Wir sehen einen jungen Mann, der im Hintergrund an einem Verhörtisch sitzt. Vorne ist schemenhaft ein bärtiger Mann erkennbar, der einen Tee einschenkt, er beginnt zu sprechen. Wir erfahren, dass der junge Mann im Hintergrund Reza Shirazi heißt, ihm wird Tee angeboten. In der Rolle von Reza gilt es nun die erste Entscheidung zu fällen: den Tee annehmen oder ablehnen? Jede Entscheidung hat nun Einfluss auf das Spielgeschehen, wenngleich das vermeintliche Ende – die islamische Revolution – bestehen bleibt. Kurz darauf die zweite Entscheidung und das brutale Verhör nimmt seinen Lauf. Der Einstieg in 1979 erweist sich als ungemein dicht wie hart. Man nimmt abrupt die Rolle Rezas ein und muss nun erstmal damit klarkommen, dass eine uns unbekannte Person uns Fragen stellt und seine perfiden Verhörmethoden an uns ausprobiert. Es ist 1980, Reza wird vorgeworfen gegen Chomeinis Machtübernahme agiert zu haben. Der edle Teespender, Hajj Agha, will, dass Reza seine Mitstreiter*innen verrät. Dafür bietet er Vergebung, doch welche Reaktion ist richtig und welche falsch?
Schwarzweiß?
Rückblick: 1978, wir befinden uns auf einem Flachdach und blicken hinab auf eine Demonstration in den Straßen Teherans. Reza hat eine Fotokamera um den Hals, neben ihm ist ein Jugendfreund. Wir erfahren, dass Reza gerade von einem Auslandsstudium zurückgekehrt ist. Sein Freund schildert ihm die neuen Verhältnisse im Iran und versucht Reza für seine Sache zu begeistern. Reza will nichts damit zu tun haben, er will nur seine Fotos machen. Dieses Narrativ begleitet uns nun durch die rund zweistündige Geschichte. Verschiedene Gruppierungen versuchen Reza von ihrer Sache zu überzeugen, erklären ihm, dass die jeweils anderen böse und sie die einzig wahren Guten sind. Nun werden verschiedene Ereignisse gezeigt, Entscheidungen getroffen und ab und an Fotos geschossen. Die Ereignisse sind teils brutal, wie etwa die blutige Niederschlagung einer Demonstration durch den Schah, und teils nahezu familiär, beispielsweise wenn zu Tisch die Lage diskutiert wird. Etwa ein Jahr der Islamischen Revolution wird auf diese Art vermittelt.
Hörbare Atmosphäre
Betrachtet man nur die Soundkulisse, bleibt 1979 atmosphärisch unglaublich dicht. Es herrscht Ruhe oder eben Trubel zur jeweils genau richtigen Zeit. Die Dialoge, die eigens von echten Schauspieler*innen eingesprochen wurden, und ebenso die real klingenden Demonstrationen machen es möglich, sich zeitweise als Teil der Geschichte wahrzunehmen. Grafisch hingegen fällt der Titel etwas ab, so sind doch insbesondere die Charaktere ein wenig zu polygon. Zeitweise stört dies die Spielwahrnehmung ein wenig zu stark, da auch die Animationen der einzelnen Charaktere eher an die PlayStation 1 oder den Nintendo 64 erinnern, als an eine auch nur in Ansätzen zeitgemäße 3D-Grafik. Bis auf Originalaufnahmen aus jener Zeit wirken auch die im Dossier einsehbaren Fotos oder Zeitungsausschnitte etwas verwaschen und tragen somit wenig zur atmosphärischen Dichte bei.
Hart an der (Gefühls-)Grenze
Bei aller Kritik an der grafischen Umsetzung des Titels – vielleicht ist die Thematik auch genau richtig dargestellt. Es ist kaum vorstellbar, wie die Geschichte wirken würde, wenn auch noch die Grafik einen in ihren Bann ziehen würde. Die etwas über zwei Stunden Spielzeit sind teilweise psychisch hart. In der Rolle Rezas wird man gefoltert, vor immens schwere moralische Entscheidungen gestellt, nimmt an einem Massaker an Demonstranten teil und erlebt dadurch eine kleine Tortur an unterschiedlichsten Gefühlen. Angst, Furcht, Wut und auch Zorn kann diese Tortur auslösen. Diese Gefühle kommen – und das ist bei 1979 auf beängstigende Art und Weise das Faszinierende – nicht plötzlich und verschwinden dann wieder, wie es etwa bei vergleichbaren Filmszenen der Fall ist. Vielmehr mischt sich alles nach und nach zu einem diffusen Gefühl von Ohnmacht und Machtlosigkeit gegenüber der dargestellten Obrigkeit.
Hart an der (Manipulations-)Grenze
1979 ist rein spielerisch betrachtet ein letztlich rundum gelungenes Serious Game und macht Geschichte auf eine Art erlern-, erfahr- und spürbar, was ungemein faszinierend ist. Gleichzeitig erlaubt es auch einen Ausblick, was beispielsweise durch den Einsatz historischer Games in Bildungskontexten möglich sein könnte. Darin liegt jedoch auch eine immense Gefahr. Black Friday wurde konzipiert von Navid Khonsari, einem iranischen Spieleentwickler, der selbst als Zehnjähriger mit seinen Eltern vor den Ayatollahs floh. Viel von seinen persönlichen, ganz privaten Erfahrungen sind inhaltlich eingeflossen. Er selbst versteht den Titel als interaktive Dokumentation und nennt es ein Wirklichkeits-Spiel. Der Iran sieht das ein wenig anders und wirft Khonsari anti-iranische Propaganda vor. Bereits durch die Diskussion um das Game wird das Gefühl vermittelt, sich selbst darin zu befinden. Analog dazu müssen wir zwischen den Fronten entscheiden – genau darin liegt die Gefahr. Wie Geschichte wahrgenommen, aufgeschrieben und vermittelt wird, hängt auch immer vom Erzähler ab. Insbesondere oral history, beispielsweise ein Zeitzeugen-Interview, hat dabei eine immens subjektive Färbung, die nicht jeder bzw. jedem immer bewusst ist. Wenn nun diese subjektiv eingefärbte persönliche Wirklichkeit mit vermeintlich objektiven Fakten vermischt und dann behauptet wird, dass es genau so abgelaufen ist, wird meines Erachtens ein gefährliches Risiko mit der Deutungshoheit betrieben. Selbstverständlich begegnet man diesem Konstrukt oft in Büchern oder Filmen, aber selten ist man dabei derart (aktiv) am Geschehen beteiligt und erlebt das Erzählte dadurch so immersiv. Ohne ein gehöriges Maß an reflektierter Medienkompetenz bei den Konsument*innen ist es da ein leichtes, jede Art von Geschichte, ob wahr oder nicht, zu erzählen und dadurch letztlich zu manipulieren. Die Fragen, wer erzählt hier einem was und warum tut er/sie das, sind dann erst recht nur schwer befriedigend zu beantworten.
Fazit
1979 Revolution: Black Friday ist ein atmosphärisch ungemein dichtes Serious Game im Stile eines interaktiven Films. Audiovisuell präsentiert es sich dabei gegensätzlich, für die Ohren ein Schmaus, für die Augen eher weniger präsentabel. Aufgrund des Geschehens und der damit verbundenen psychischen Herausforderungen, richtet es sich an volljährige Spieler*innen. Einziger Wermutstropfen ist die Tatsache, dass die dargestellte Geschichte als faktenbasierte authentische Wahrheit vermittelt wird. Einerseits schade, da es dem Spiel einiges an Faszination nimmt. Andererseits jedoch auch eine Chance für alle Entwickler*innen, es beim nächsten Mal anders zu machen, denn zweifelsfrei schlummert meines Erachtens in dieser Art Wissensvermittlung von Geschichte ein unglaubliches Potential.