Cover von 60 Seconds!
Spielbeurteilung

60 Seconds!

Überlebenssimulation im Atomschutzbunker mit schwarzem Humor.

Screenshot aus dem Spiel 60 Seconds, der die im Spiel inkludierte Familie anzeigt.
Screenshot aus dem Spiel 60 Seconds, der eine Tagesaufgabe anzeigt.
Screenshot aus dem Spiel 60 Seconds, der eine Tomatendosenkonserve anzeigt, die in dem Spiel verwendet wird.
Screenshot aus dem Spiel 60 Seconds, der einen spielbaren Charakter in der Küche zeigt.
4
5

Allgemeines

Vertrieb: Robot Gentleman
Spielewebsite: Website aufrufen
Erschienen: 1. Mai 2015
Plattformen:

Jugendschutz & Altersempfehlung

USK Alterskennzeichen

Icon USK 6
USK ab 6 freigegeben (getestet im IARC Verfahren)

Spielmodi:

  • nur alleine spielbar

Pädagogische Altersempfehlung

12
spielbar ab 12 Jahren

Spielbeschreibung

60 Seconds! ist eine Überlebenssimulation in der es wichtig ist, strategische Entscheidungen zu treffen, um nach dem Niedergang einer Atombombe möglichst lange im eigenen Schutzbunker durchzuhalten und vielleicht gerettet zu werden. Zu Beginn wählen Spielende dazu entweder Familienvater Ted oder Mutter Dolores als Spielfigur für die namensgebenden ersten sechzig Sekunden aus. Nachdem der Bombenalarm losgeht bleibt diese Zeitspanne, um durch das eigene Haus zu hetzen und dabei möglichst viele Gegenstände, die beim Überleben hilfreich sein können, sowie die anderen Familienmitglieder, Sohn Timmy und Tochter Mary-Jane, in die Bunkerluke zu befördern. Erreicht die eigene Spielfigur dann nach Ablauf der Zeit ebenfalls rechtzeitig die Luke, wird das Spiel in einer 2D-Ansicht fortgesetzt und jeden Tag müssen wichtige Entscheidungen getroffen werden. Wer bekommt wann wie viel zu essen und zu trinken, wer geht wann raus, um neue Vorräte oder Hilfe zu finden, was passiert mit Krankheiten oder Verletzungen und was geschieht, wenn es an der Bunkertür klopft? Die Varianten sind vielfältig und alle bergen ein Risiko.

Pädagogische Beurteilung

Überleben vs. Moral

Der Titel bietet massig Entscheidungen, welche in Realität wohl kaum jemand leichtfertig treffen könnte. Das geht schon in den ersten sechzig Sekunden los. Welche Gegenstände sind in welchen Mengen am nützlichsten? Wieviel Wasser und Dosensuppe braucht die Familie? Oder auch andersherum, wie viele Mitessenden soll man in den Bunker mitnehmen? Je mehr Personen da sind, desto höher liegen die Chancen, regelmäßig Aktionen ausführen und sich so weiter versorgen zu können. Aber mehr Leute bedeutet eben auch mehr Verbrauch an Nahrung und Wasser oder an Erste-Hilfe Material und Medizin. In der Testgruppe beispielsweise wurde von vorneherein immer eine der vier Figuren gar nicht erst in den Bunker gerettet. Dass dies immer dieselbe Figur war, hatte jedoch keine überlebensstrategischen Gründe. Zu diesem Punkt aber später mehr. Da es sich hier um eine Spielsimulation handelt, werden moralische Grenzen oftmals eher locker gesehen oder sogar belächelt. Dies geschieht bei den meisten Titeln mit Aspekten des Überlebens auch. Es drohen keine echten Konsequenzen und der Spielfortschritt bekommt meist die überwiegende Bedeutung. Natürlich ist es gut, dass es sich nur um eine Simulation handelt, denn niemand sollt ein eine ähnliche Situation geraten. Jedoch bietet 60 Seconds! ein hohes Potential dafür, die eigenen Entscheidungen zu reflektieren, selbst wenn es nur in einer Simulation geschieht. Dieses Potential wird jedoch so gut wie gar nicht genutzt oder überhaupt wahrgenommen.

Schwarzer Humor

60 Seconds! spielt, trotz des durchaus ernsten Hintergrundszenarios, immer wieder mit sarkastischen Anspielungen, kleinen Darstellungen verschiedener Klischees oder teilweise bitterlustigen Geschehnissen. Zum Beispiel bleiben gestorbene Figuren als Skelett mit entsprechender Kleidung und Frisur im Bunker zurück und zeichnen ein surreales Bild, was die Überlebenden auch um ihre psychische Stabilität bringen kann. Die Darstellung von Tochter Mary-Jane ist ebenfalls auffällig: Sie ist übergewichtig, spielt ein schweres Blasinstrument und ist auch sonst eher tollpatschig gezeichnet dargestellt. Sie ist die Figur, die in der Testgruppe nicht gerettet wurde, da sie laut der Tester „Eh nichts kann und die ganzen Vorräte wegfrisst.“ Sohn Timmy erging es übrigens nicht besser. Sobald eine gefährliche Unternehmung anstand, musste immer er herhalten, da er „sowieso als erstes draufgeht.“ Das Spiel lässt diese Möglichkeiten zu, es gehört zum Spielkonzept und der schwarze Humor trägt zur Atmosphäre bei. Die abwertende Haltung der Spielenden gegenüber einzelner Figuren entsteht nicht aus dem Spiel selbst und wird auch nicht durch den schwarzen Humor provoziert. Vielmehr zeigt sich eine gewisse Unfähigkeit bei Jüngeren, zwischen dem traditionellen Konzept von schwarzem Humor und Sarkasmus und abwertenden Aussagen zu unterscheiden. Grund hierfür kann unter anderem auch sein, dass dieses Spiel Bekanntheit durch Let’s Plays auf Videoplattformen, wie etwa YouTube, erlangt hat. YouTube dient für viele Kinder und Jugendlichen als soziale Plattform und in Let’s Plays bekommen sie zusätzlich zu den Spielinhalten selbst auch Reaktionen und Verhaltensweisen der Spielenden gezeigt. Diese können natürlich sehr stark variieren, aber je nachdem wer dort sitzt, kann es eben passieren, dass solche lustig gemeinten, abwertenden oder auch diskriminierenden Aussagen und Verhaltensweisen vorgelebt und ohne eine eigene Reflektion übernommen werden.

Fazit

In dieser Überlebenssimulation gilt es, einer vierköpfigen Familie zu helfen, um nach einem Atombombenabwurf möglichst lange im hauseigenen Bunker zu überleben und vielleicht gerettet zu werden. Dabei werden sie immer wieder vor Entscheidungen gestellt, welche oft einen Konflikt zwischen Vorteilen im Überlebenskampf und moralischen Werten und Haltungen aufwerfen. Da es sich um eine Simulation handelt, kann meist zu Gunsten des Überlebens entschieden werden, was das gebotene Potential zur moralischen Selbstreflektion jedoch untergräbt und den Wert moralischer Haltungen zugunsten eines Vorteils künstlich weiter schmälern kann. Hinzu kommt die, bei Kindern und Jugendlichen nur stellenweise ausgebaute, Kompetenz, schwarzen Humor und als lustig empfundene, jedoch abwertende oder gar diskriminierende Witze voneinander zu unterscheiden. Dadurch können unreflektierte Entscheidungen zugunsten eines Witzes weitere Chancen, die eigenen Entscheidungen zu reflektieren, torpedieren. Ein weiterer kritischer Faktor können Let’s Plays sein. Hier bekommen Kinder und Jugendliche zusätzlich zum Spielinhalt Reaktionen und Aussagen der Spielenden gezeigt, welche den sarkastischen Humor aufgreifen, um lustig zu sein. Diese Aussagen und Verhaltensweisen können dann wiederum von Kindern und Jugendlichen ohne eigene Reflektion als richtig übernommen werden.

Bewertung der Spieletest-Gruppe

Stadtbibliothek Kalk

Köln
Spielspaß: