BioShock 2
Gut inszenierter First-Person-Shooter, der allerdings mehr vom Glanz des Vorgängers lebt.
Allgemeines
Mit BioShock 2 Remastered kam 2016 eine überarbeitete Version mit verbesserter Grafik auf den Markt.
Jugendschutz & Altersempfehlung
USK Alterskennzeichen
Spielmodi:
- nur alleine spielbar
Pädagogische Altersempfehlung
Spielbeschreibung
Es gibt leider nur wenige First-Person-Shooter, die neben der Action auch eine spannende Geschichte bieten. BioShock aus dem Jahre 2007 war eines dieser Titel und erzählte eine sehr interessante Geschichte, um eine zum negativen umgeschlagene Idealwelt, eine sogenannte Dystopie. Der größenwahnsinnige, aber auch idealistische Industrielle Andrew Ryan baute unter Wasser kurz nach dem 2.Weltkrieg, unbemerkt von der Außenwelt, sein persönliches Utopia auf und nannte es Rapture (zu deutsch: Entrückung). In dieser riesigen Unterwasserstadt konnten sich die Bewohner fern von Göttern, Königen und anderen Ideologien frei entfalten. Demnach war auch die Wissenschaft keinerlei Zwängen unterworfen und entwarf eine Zwitterwelt zwischen aktueller Stadt-Architektur des Art Déco und modernen technischen Errungenschaften, die bis zur Stammzellenforschung und genetischen Verbesserungen gingen. Das allerdings war auch der Grund des Untergangs dieser scheinbaren Idealwelt. Wissenschaftler fanden in einer Seeschnecke Stammzellen, experimentierten unkontrolliert herum und setzten ihre Erkenntnisse bei Menschen an, um ihre Fähigkeiten zu verbessern. Hier ist ein Bezug zur aktuellen Diskussion über die Stammzellenforschung erkennbar, der gewählte Titel BioShock verdeutlicht dies noch dazu. Doch für den ungezügelten Forscherdrang bezahlten die Menschen einen hohen Preis. Sie mutierten und verfielen nicht nur dem Wahnsinn, sie wurden abhängig von diesem Wirkstoff, der in Anlehnung an den ersten Menschen ADAM genannt wurde. Und um diesen Wirkstoff entbrannte ein innerer Machtkampf in Rapture, inmitten der Protagonist Jack im ersten Teil scheinbar zufällig aus der Oberwelt hineintrat.
In BioShock 2 werden die Ereignisse in der Unterwasserwelt weiter erzählt, die aber ca. zehn Jahre später, ende der 1960erJahre, angesiedelt sind. Die Spielenden übernehmen diesmal die Rolle eines Big Daddys, durchstreifen die erschreckend schöne Unterwasserwelt Rapture und merken schnell, dass sie wieder zu einem Spielball innerer Machtkämpfe missbraucht werden.
Pädagogische Beurteilung
First-Person-Shooter + Rollenspiel + Moral
Das besondere an BioShock und auch der Fortsetzung, neben der spannenden und nachdenklich stimmenden Geschichte, war die Verwendung von Rollenspielelementen und besonders der Einsatz von moralischen Fragestellungen. Die Wissenschaftler*innen in Rapture fanden heraus, dass die Unterwasserschneck ein junge Mädchen eingepflanzt, weitaus größere Mengen ADAM produzierte. Ebenso wurden die Mädchen missbraucht die herumliegenden Leichen zu schänden, um aus ihnen das ADAM auszubeuten. Demnach waren die so genannten Llittle Sisters regelrechte ADAM-Quellen und somit das Ziel von allen Abhängigen. Zum Schutz der Mädchen wurden, natürlich gegen ihren Willen, genetisch verbesserte Männer in Glockentauchanzügen, gesteckt und eine Vater-Tochter-Beziehung der schaurigen Art etabliert. Um also an das Genmaterial ADAM heranzukommen, müssen die Spielenden sich zunächst auf einen Kampf mit dem Big Daddy einlassen. Nach dessen Tod hat man nun die Wahl, das Mädchen zu töten, um mehr ADAM zu bekommen, oder sie zu erretten, um sich dann aber nur mit der Hälfte zu begnügen. Die Entwickler bauten dieses, an das Kindchenschema und den menschlichen Beschützerinstinkt angelegte Dilemma auf, um Spielende eine Moralentscheidung abzuverlangen. Dieser überaus interessante Ansatz, das Handeln des Spielenden zu beeinflussen und zu hinterfragen, haben die Entwickler leider nicht konsequent umgesetzt, da die Rettung der Mädchen mit fast derselben Menge an ADAM belohnt wird. Der Moralaspekt wurde übrigens im 2. Teil erweitert. Gelegentlich hat der*die Spielende die Wahl eine Spielfigur zu töten, oder auch nicht und muss demnach mit den Konsequenzen leben.
Die Spielmechanik von BioShock 2
Schon der Vorgänger war kein gewöhnliches Spiel. BioShock 2 ist mehr ein Konglomerat aus First-Person-Shooter, Rollenspiel und etwas Action-Adventure. Dazu gibt es nun auch wieder neben den Kampfhandlungen viel nebenher zu entdecken und erledigen. Zu Beginn des Spiels begeht der Held scheinbar Selbstmord, erwacht allerdings wieder und wird mit Aufgaben beauftragt, die der*die Spielende nun in seinem Alter Ego erfüllen muss. Es wird zudem erzählt, dass man ein Prototyp der Big Daddys ist. Aus der Ich-Perspektive sieht man, das der rechte Arm des großen Vaters seinen Waffenarm beherbergt, der von einem riesigen Drillbohrer, einer Nietenpistole, bis hin zu einem Granatwerfer nach und nach aufgerüstet wird. Geschossen wird mit der rechten unteren Schultertaste R2. Der linke Arm wird dazu verwendet, um die genetischen Verbesserungen, die Plasmide, zu aktivieren. Beispielsweise können Gegner mit Stromschlägen oder Feuerbällen bekämpft werden. Oder man benutzt die Eiskomponente, um die Splicer zu Eis erstarren zu lassen und anschließend in tausend Stücke zu schießen oder zu schlagen. Die Plasmide werden mit der unteren linken Schultertaste aktiviert. Im Vergleich zum Vorgänger können beide Waffentypen gleichzeitig verwendet werden. Mit den oberen Schultertasten L1 und R1 werden die unterschiedlichen Waffen durchgeschaltet. Gesteuert wird konsolentypisch mit den beiden Analog-Sticks. Zu Beginn des Spiels ist der Mann hinter der Maske nur mit dem Drillbohrer ausgestattet, bekommt aber im weiteren Verlauf immer neue Waffen und weitere Plasmide. In Anlehnung an Rollenspiele werden nun die genetischen und technischen Fähigkeiten des Spielenden nach und nach durch den Einsatz von ADAM gezielt erweitert und verbessert. Zusätzliche gefundene oder gekaufte Tonika verbessern diverse andere Eigenschaften des Spielenden wie Schutzschild, Safeknacker, Gesundheit, Schnelligkeit und vieles mehr.
Das BioShock 2 kein reines Ballerspiel ist, merkt man auch daran, dass Munition, Gesundheitspakete sowie EVE-Spritzen, die Plasmide auffüllen, nicht unendlich zur Verfügung stehen, sondern gesucht oder auch gekauft werden müssen. Daher müssen alle möglichen Gegenstände wie Schränke, Kassen, Kisten, aber auch Leichen nach Items und Geld durchsucht werden. Somit ist BioShock 2 kein Spiel für ungeduldige Naturen, sondern eher für Jäger und Sammler, die die großen Areale mit Vergnügen absuchen. Anfänger*innen können einen Richtungspfeil aktivieren, der Ziele vorgibt. Erfahrene Spielende lassen sich treiben oder vertrauen auf ihren Orientierungssinn.
Das gefundene Geld wird dann an Waffen-und Ausrüstungsautomaten, die alten Zigaretten- oder Musikautomaten nachempfunden sind, ausgegeben. Diese Slot-Machines können auch gehackt werden, um den Preis nach unten zu manipulieren. Dazu wurde leider auf das Minispiel aus dem ersten Teil verzichtet, wo der*die Spielende unter Zeitdruck unterschiedliche Rohre so zusammenlegen musste, damit eine Flüssigkeit ungehindert von A nach B kam. Neben Reaktionsschnelligkeit, war bei diesem Spiel Kombinatorik und auch ein vorausschauendes Denken gefragt. In der Fortsetzung haben die Entwickler daraus ein reines Reaktionsspiel gemacht, in der eine Nadel auf einem analogen Display auf den grünen und blauen Bereichen gestoppt werden muss, um die erwähnten Verkaufsmaschinen oder auch Safes und Überwachungsanlagen zu manipulieren.
Interessanterweise wurden diesmal auch strategische Komponenteneingebaut. Es ist nun möglich, die Little Sisters für die eigene ADAM Gewinnung zu missbrauchen. Dafür werden die Mädchen an bestimmten Leichen abgesetzt und beginnen, das ADAM zu entnehmen. Allerdings macht das sofort alle Slicer in der Umgebung aufmerksam und sie versuchen das Mädchen zu töten. In einem offenen Kampf hat man wenig Chancen, gegen die zahlreich anstürmenden Gegner. Jedoch hat der*die Spielende die Möglichkeit, strategisch geschickt Fallen aufzubauen.
Die „brutale“ Seite von Rapture
BioShock 2 hat, wie sein Vorgänger, der in Deutschland für eine 18er Freigabe noch geschnitten wurde, in den Händen von Minderjährigen nichts verloren. Und das liegt nicht nur an der explizit gezeigten Gewalt. Es ist kein Splatter-Gruselspiel wie Dead Space, aber die Geschichte, die Umgebung, die degenerierten Gegner, der Einsatz von Moral als Spielelement und die sehr düstere und auch tiefschwarz melancholische Grundatmosphäre erfordern ein zur Reflexion und zur Abstraktion fähiges Erwachsenenpublikum. Die dargestellte Gewalt ist zwar nicht verherrlichend, aber die Gewaltspitzen wie Verbrennen, unter Strom setzen, durchbohren etc. sind sehr detailreich dargestellt. Die elektrifizierten oder unter Feuer gesetzten Gegner zucken und schreien sehr dramatisch und dürften die wenigsten kalt lassen. Daher an dieser Stelle nochmal eindringlich der Hinweis, dass BioShock 2 keine Jugendfreigabe bekommen hat. Aber nicht nur Atmosphäre und Gewaltsind für ein Erwachsenenpublikum zugeschnitten, auch die Geschichte hinter der Dystopie verlangt viel Hintergrundwissen, Reflexion und die Fähigkeit Zusammenhänge zu erkennen und auch die Symbolik in dem Spiel zu interpretieren. In einem Medienprojekt oder im Kunst- oder Ethikunterricht in der Oberstufe würde sich der Vorgänger besonders dazu eignen, sich umfassend mit dem Titel zu beschäftigen, wie mit einem Buch oder Film.
Die Geschichtehinter BioShock 2
Dystopien wurden schon immer gerne in Literatur und Film behandelt. So ist Fritz Langs Metropolis 1927 eine der bekanntesten Dystopien der Filmgeschichte. Aber auch aktuell behandeln zahlreiche Filme, negative, besonders durch den technischen Fortschritt hervorgerufene Zukunftsvisionen. In I am Legend 2007 verursachte ein zuvor umjubeltes Krebsmedikament eine Pandemie. Im besonders bedrückenden Film Children of Men 2006 werden keine Kinder mehr geboren, vermutlich wegen Umweltverschmutzung. Die Verfilmung des Pulitzer Romanes von Cormac McCarthy The Road 2009 liefert gar keinen Grund mehr für den Untergang und lässt den Zuschauenden genügend Raum für eigene Interpretationen. Diese Filme sind zwar nicht besonders brutal, aber doch düster, melancholisch und vor allem durch Hoffnungslosigkeit geprägt und wirken besonders auf der emotionalen Ebene, so auch BioShock 2. Bekannte Spiele, die Dystopien behandeln sind bspw. Half-Life 2 oder das großartige Deus Ex aus dem Jahr 2000.
Die Grundstory von BioShock 2 wird genretypisch mit Zwischensequenzen erzählt. Viel tiefer, spannender und interessanter ist die Erzählung der Geschichte über gefundene Tonbandaufzeichnungen. Hiererfährt der*die Spielende Hintergrundinformationen zu aktuellen Ereignissen, aber auch zu Figuren des ersten Teils und muss Bezüge herstellen, was eine hohe Aufmerksamkeit und Kombinationsgabe abverlangt. Manchmal enthalten die Tonbandaufnahmen auch persönliche, tagebuchartige Einträge und erlauben Zuhörenden einen kleinen Blick in das Innenleben der Charaktere und stimmen doch recht nachdenklich. Leider wird dabei aber die erzählerische Tiefe des Vorgängers nicht erreicht.
Noch abschließend folgender Hinweis: Auch bei BioShock 2 ist (leider) beobachtbar, dass die Entwickler es nicht für wichtig erachtet haben, den Spielenden eine Zusammenfassung der Ereignisse aus dem ersten Teil mitzugeben. Sicherlich ist es in Zeiten des Internets problemlos möglich Videos oder Zusammenfassungen von älteren Spielen zu besorgen, aber bei einem Titel wie BioShock 2, der essentiell auf den ersten Teil aufbaut, sollte den Spielenden einen Zusammenschnitt der Ereignisse für ein besseres Grundverständnis mitgegeben werden.
Fazit
BioShock 2 ist zwar eine gute Fortsetzung, lebt doch zu sehr von seinem großartigen Vorgänger. Es ist zu wenig Neues zu finden in der Unterwasserwelt von Rapture. Der dramaturgische Kniff, das Spiel aus den Augen eines Big Daddy zu spielen, ist Anfangs interessant, gibt aber zu wenig Anknüpfungsunkte zur Identifikation als ein „richtiger“ Mensch. Wahrscheinlich hätte dem Spiel auch eine Erzählung der Ereignisse vor dem ersten Teil besser getan, als die (zulange) Zeitspanne nach 10 Jahren zu behandeln. Schon im ersten Teil war die Welt von Rapture zusammengebrochen, überall brach Wasser ein und nur noch wenige normale Menschen lebten. Und nach dieser langen Zeit begegnet der Spielende immer noch Menschen, die unter den mutierten und gewalttätigen Slicern überlebt haben?
Übrigens habe ich das Mehrspielerspiel bewusst nicht erwähnt. BioShock 2 kauft und spielt man nicht wegen dem Multiplayer. Da gibt es weitaus bessere Titel. Hier hätten die Entwickler die Zeit und Mühe besser in Erneuerungen des Hauptspiels investiert. Wer aber nach dem tollen ersten Teil nicht zu viel erwartet, wird auch Spaß an der Fortsetzung haben. Die düstere und schwermütige, aber auch sehr gewalthaltige Welt von BioShock 2 richtet sich an ein Erwachsenenpublikum und sollte nicht von Minderjährigen gespielt werden.