Rassismus und Gaming

25.11.2020 | Diversität

BLM im Zusammenhang mit der Gaming-Community

Die Bundeszentrale für politische Bildung definiert Rassismus als Diskriminierungsmuster. Er wird durch Ungleichheiten, Wahrnehmungen, Handlungen und Differenzen geformt. In der heutigen Gesellschaft werden Menschen häufig aufgrund ihrer kulturellen Merkmale oder bestimmter Verhaltensweisen diskriminiert. Diese werden teilweise dazu genutzt, um Kategorien zu bilden und sich von anderen abzugrenzen; dann haben wir es mit einem Stereotyp zu tun. Wie zeigen sich jedoch Rassismus in Games, der Gaming Community und die Black Lives Matter (BLM) Bewegung in digitalen Spielen?

Ein kurzer Disclaimer: Ich bin nicht dazu befähigt, Aussagen über Rassismus zu treffen oder diesen zu bewerten, da ich aufgrund meiner Hautfarbe keine persönlichen Erfahrungen mit ihm gemacht habe. Ich versuche mich an einer sachlichen und sensiblen Berichterstattung.

Dass es Computerspiele gibt, die sich gezielt gegen gewisse ethnische Gruppen richten und von neonazistischen Gruppierungen konzipiert wurden, ist ein sehr schockierender Fakt, um den es in diesem Artikel aber nicht gehen soll. Es soll vielmehr im Fokus stehen, bekannte Titel bekannter Entwicklerstudios einmal genauer zu beleuchten.

Spielfiguren aus Resident Evil 5

Quelle: https://www.residentevil.com/5/

2009 löste Resident Evil 5 eine Diskussion um Stereotype und Rassismus aus. Schauplatz dessen ist Kijuju, ein fiktiver Ort in Westafrika. Die Gegner unseres Charakters sind die Bewohner*innen, die Federschmuck und Leopardenhöschen tragen und sich Zauberritualen widmen; diese Darstellung rief Kritiker*innen auf den Plan. Die Chefentwickler*innen äußerten sich zu den Vorwürfen, indem sie hervorhoben, dass sie nicht in einer Welt leben wollen würden, in der es nicht möglich sei, einen Resident-Evil-Teil zu entwickeln, der in einem arabischen oder afrikanischen Land spielt; das wäre eine Form von Rassismus. Ob dies eine angemessene Antwort war, bleibt fraglich, denn das eigentliche Problem wird gar nicht beachtet. Spieleforscher Michael Liebe schloss das Thema für sich ab, indem er hervorhob, dass das Setting einfach unsensibel gewählt wurde. Im Zusammenhang mit der Debatte äußerte sich Karen Dill, eine Professorin für Psychologie an der University of North Carolina, zu dem Thema und stellte heraus, dass Schwarze und Latinos häufig als athletisch und aggressiv dargestellt werden, weniger Schutzkleidung tragen und allgemein schlechter ausgestattet sind. Asiaten seien zwar oft intellektuell, aber physisch schwach.

Rust-Spielfigur

Quelle: https://rust.facepunch.com/

Facepunch Studios entschied sich mit ihrem Online Survival Game Rust für einen anderen Weg. Hier entscheidet das Zufallsprinzip am Anfang die Hautfarbe und das Geschlecht des Charakters. Damit sollte eine Verbindung zur Realität hergestellt werden, in der man sich beides auch nicht aussuchen kann. Die Reaktionen darauf waren gespalten; zum einen wurde hinterfragt, ob es sich womöglich um ein virtuelles Blackfacing handeln könnte oder ob dem gerade dadurch vorgebeugt wird, dass jeder eben jede Hautfarbe erhalten kann und dies keinen Einfluss auf das Spielgeschehen nimmt. Zum anderen gab es einige Beschwerden darüber, dass man seine Hautfarbe nicht mehr ändern könne – in dem Zusammenhang wurde auch ein Kontrollverlust und eine abnehmende Immersion angesprochen, da der Charakter nicht mehr so gestaltet werden konnte, wie man es wollte. Teilweise gab es aber auch beleidigende Aussagen, wie „ich möchte kein Fahrraddieb sein“ etc., diesen wurde allerdings von der Rust-Community entgegengewirkt. Die zufällige Zusammenstellung des Charakters soll als soziales Experiment gelten – wenn eine weiße Person einen BIPoC Charakter spielt und daraufhin aufgrund der Hautfarbe beleidigt wird, ist dies eine neue Erfahrung, die zur Projektionsfläche der eigenen Vorurteile werden soll.

Eine bekannte Spielreihe bekam mit Grand Theft Auto – Vice City ihren vierten Teil. Es wurde stark kritisiert, dass sich einige Angriffe gegen haitianische Personen richten, die im Spiel getötet werden sollen und oft als Diebe und Drogendealer dargestellt werden. Rockstar Games veröffentliche daraufhin ein Statement, in dem sie sagten, dass sie keine ethnische Gruppe beleidigen wollen und sich solche Aussagen zu Herzen nehmen.

GTA-Charakter mit Kettensäge vor Palmenkulisse

Quelle: rockstargames.com/vicecity/

Auch einige rechtsextreme Gruppen nutzen Games und ihre Kanäle, um ihre rechte Einstellung zu verbreiten. Dazu gehört z.B. die Gruppe Reconquista Germanica, die aus rechtsextremen Trollen besteht. Sie ist ähnlich wie militärische Gruppen organisiert und ihre Mitglieder*innen nutzen untereinander Anreden wie General. Von sich selbst behaupten sie, sie seien satirische Gamer*innen. Der Kanal, über den sie ihre Hetze verbreiten ist Discord, dort veröffentlichen sie Memes, die sich gegen Angela Merkel, Geflüchtete oder seriöse Medien richten. Außerdem werden die Mitglieder*innen dazu angehalten, rechtsextreme Videos zu liken und zu befürworten. Die größere rechtsextreme Gruppierung Identitäre Bewegung stellt auch Bezüge zu Computerspielen her, indem sie sich mit dem Design ihres Merchs an GTA V orientiert und den Stil für T-Shirts und Poster kopiert.

Durch rassistisch motivierte Polizeigewalt in Amerika ist die Black Lives Matter Bewegung präsenter denn je. Das macht auch nicht vor der Gamingbranche und -Community halt. Viele Publisher*innen, bekannte Gamer*innen oder andere Personen des öffentlichen Lebens antworten auf aktuelle Geschehnisse und setzen sich für Gerechtigkeit und gegen Rassismus ein. Gerade im Sommer wurde auf die Zustände in Amerika reagiert: Die Publisher*innen von Warzone setzten ein Zeichen, indem sie den Ladebildschirm mit einem Statement zu Black Lives Matter austauschten, das Vorstellungsevent der Playstation 5 wurde verschoben und einige Studios, wie z.B. Square Enix, spendeten an BLM Organisationen. Epic Games verbannte alle Polizeiautos aus ihrem Erfolgshit Fortnite. Die Plattform itch.io erstellte ein bundle for racial jutsice and equality, dass man für mindestens fünf Dollar erstehen konnte. Darunter waren verschiedene Spiele, z.B. das Jump-and-Run Celeste. Durch diese Aktion kamen mehrere Millionen Dollar zusammen, die ebenfalls eingesetzt wurden, um die Bewegung zu unterstützen. Weitere Reaktionen zeigten auch Gamer*innen, die verschiedene Protestaktionen in den Games selbst umsetzten. So dekorierte eine Animal Crossing: New Horizons Spielerin ihre Insel und fertigte Pixel-Art-Porträts von Opfern rassistischer Polizeigewalt an, woraufhin weitere Nutzer*innen ihre Insel besuchten. Weiterhin wurde eine BLM-Kundgebung in Die Sims 4 veranstaltet, an der zahlreiche Unterstützer*innen teilnahmen. Natürlich stieß dies nicht nur auf positive Resonanz – eine häufige Aussage war, dass es sich ja nur um ein Spiel handle und nicht um ein Werkzeug, um zu protestieren.

Black-Lives-Matter-Unterstützer*innen in Animal Crosing

Quelle: theguardian.com

Dass es nicht einfach ist, negative Stimmen zu bannen, zeigen uns einige Online-Plattformen, auf denen Hate Speech immer noch allgegenwärtig ist. Reddit war da ein Vorbild und ging beispielsweise drastischer gegen Hass-Kommentare, auch in Form von Sonderzeichen, vor und entfernte rassistische Profile. Die bekannte Vertriebsplattform Steam geriet hingegen in die Kritik, da in Diskussionsforen oder Kommentarspalten, die als soziales Netzwerk fungieren, verfassungsfeindliche Symbole weiterhin nicht gelöscht wurden. Außerdem gibt es dort einige User*innen, die sich nach bekannten rechtsextremen Attentäter*innen benennen, um diesen zu huldigen. Manche Accounts benannten sich nach George Floyds Mördern und verbreiteten rechte Meinungen, bei denen sie das N-Wort verpixelten oder Sätze wie „white lives matter“ posteten. Die Situation auf Twitter verhielt sich recht ähnlich, hier wurden Phrasen wie „black crimes matter“ verwendet. Auch unter dem kritisierten Hashtag #GamerGate wurden BLM Unterstützer*innen belächelt und ein negatives Bild von Opfern wie George Floyd verbreitet.

Deutsche Persönlichkeiten der Gaming-Szene beschäftigten sich ebenfalls mit der BLM Bewegung. Die Chefredaktion von Gamestar widmete sich diesem Thema und arbeitete in einem Livestream vor allem die Auswirkungen auf die Games-Branche heraus. Zudem betonten sie, dass sie über das Thema an sich nicht sprechen möchten, da sie sich nicht in der Position sehen, darüber Aussagen zu treffen. Ähnlich ging es den RocketBeans, in einem Blogeintrag von ihnen findet sich eine Linksammlung, um sich genauer mit dem Thema auseinandersetzen zu können. Weiterhin haben sie ein Statement veröffentlicht, in dem sie betonen sich nicht nur solidarisch zu zeigen, sondern auch durch Zivilcourage und eigenes Handeln und Wirken gegen Rassismus anzukämpfen und die eigene Meinung kundzutun. Außerdem solle man seine Bekannten dahingehend ebenfalls positiv beeinflussen und sie darin bestärken, sich gegen Rassismus auszusprechen – ein Rat, den wir uns alle zu Herzen nehmen sollten.