Gerade unter Kindern und Jugendlichen sind Online-Spiele wie Fortnite extrem beliebt. Die Gefahr ist allerdings groß, schnell viel Geld auszugeben – dafür sorgen Monetarisierungsmechanismen wie der Battle Pass.
Fortnite ist ein Phänomen. Mit bislang ungebrochener Faszination vor allem für Kinder und Jugendliche. Jüngster Geniestreich, um die junge Zielgruppe bei der Stange zu halten: Die Kooperation mit skandinavischem Klötzchenhersteller, Must-have jedes Kinderzimmers etlicher Generationen und weltweit umsatzstärkstem Spielwarenhersteller LEGO Ende vergangenen Jahres. Ebenfalls Ende 2023 verzeichnet der Koop-Survival-Shooter einen neuen Spielerekord – am 4. November spielen 44,7 Millionen Personen ganze 102 Millionen Stunden. Mit solchen Zahlen schreibt Fortnite seit Release 2017 immer wieder Videospielgeschichte. Popkulturelles Massenphänomen, das längst ikonisch geworden ist. Und enorm einflussreich. Dabei spricht es vor allem Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene an. Über 60 Prozent der Spieler*innen sind zwischen 18-24 Jahren alt. Allein in den USA machen Minderjährige 26 Prozent der Spieler*innenschaft aus, und auch in Deutschland gilt Fortnite seit Jahren als eines der beliebtesten Online-Spiele. Laut JIM-Studie 2023 belegt es nach Sandbox-Game Minecraft und Fußball-Simulation FIFA den dritten Platz. In den sieben Jahren seit Release erwirtschaftete Games-Konzern Epic Games mit Goldkind Fortnite mehr als 20 Milliarden US-Dollar. Rund 400 Millionen Nutzer*innen haben einen Fortnite-Account. Davon sind rund 83 Millionen mindestens einmal monatlich aktiv. Wenn es um das Phänomen Fortnite geht, heißt es seit Jahren: Superlativ jagt Superlativ.
Superlative und Schattenseiten
Aber: Das gilt auch für die Schattenseiten. Immer wieder gerät Epic Games mit Fortnite in die Negativschlagzeilen.
2019 stellt die Softwarefirma Check Point fest, dass es eine massive Sicherheitslücke im Login-Prozess gibt. Spiele-Accounts können vergleichsweise einfach gehackt und Chats abgehört werden. Zwar wird das Leck gestopft. Nur: Allein die schiere Nutzer*innenzahl mit ihren hinterlegten Daten und sonstigen Kontoinformationen macht Spiele wie Fortnite freilich zum beliebten Angriffsziel für Hacker*innen. Das junge Alter der Spielenden verstärkt diese Tendenz noch – Kinder und Jugendliche sind potentiell anfälliger für Social-Engineering-Manipulation.
Aber auch ganz ohne Hacker*innen-Angriffe von außen bietet Fortnite immer wieder Angriffsflächen.
Ebenfalls 2019 kommt es zu einer Sammelklage mehrerer Eltern im kanadischen Quebec. In der wird Epic Games vorgeworfen, Kinder und Jugendliche durch bestimmte, bewusst gewählte Strukturen in Fortnite süchtig zu machen. Im Mittelpunkt der Klage stehen damals ein 10- und ein 15-jähriger Spieler, die tausende Stunden im Spiel verbringen, nicht mehr essen, nicht mehr trinken, sich nicht mehr waschen – bis die Eltern schließlich eingreifen. Geschichten aus einem Games-Albtraum. Zwar liegt die Klage mehrere Jahre auf Eis, nimmt aber seit 2022 wieder Fahrt auf: Das zuständige kanadische Gericht lässt die Klage gegen Epic Games/Fortnite zu. Ein Urteil steht noch aus.
Im Dezember 2022 verdonnert die US-amerikanische Behörde Federal Trade Commission (FTC) Epic Games zu der Rekordstrafe von 520 Millionen US-Dollar. Die Vorwürfe reichen von der illegalen Nutzung persönlicher Daten von Kindern unter 13 Jahren bis hin zur Förderung von Spielsucht Minderjähriger. Dazu beigetragen hat auch eine deutsche Studie, durchgeführt an der Europa-Universität Viadrina. Mit Design-Tricks, sogenannten Dark Patterns, werden Spielende zum Geldausgeben verleitet. Ein Beispiel hierfür ist die in der Studie untersuchte Geldillusion. Innerhalb des Spiels werden sämtliche Preise in der spieleeigenen digitalen Währung angegeben – den V-Bucks. Der Trick: Der reale Gegenwert sei dadurch nicht sofort ersichtlich. Laut den Forschungsergebnissen verleite das dazu, mehr und unkontrollierter Geld im Spiel auszugeben. Bonus-Angebote verstärkten die Verlockung noch.
Zeitdruck, FOMO und der Battle Pass
Außerdem arbeitet Fortnite mit Zeitdruck. Einem manipulativen Verkaufselement, das man auch aus anderen Kontexten kennt: Auch Anbieter wie booking.com nutzen Countdowns und Banner wie „Nur noch wenige verfügbar“ oder „3 andere Personen sehen sich dieses Angebot gerade an“, um die Kaufentscheidung zu beeinflussen. Der In-Game-Shop in Fortnite bietet limitierte special items oder daily items an. Countdowns verstärken den Druck, schnell zugreifen zu müssen. Unter Zeitdruck, so die Viadrina-Studie, werde schneller und unüberlegter gekauft. Hätte man doch Angst, ein vermeintlich unschlagbares Angebot zu verpassen. Epic Games macht Milliardengewinne durch die In-Game-Käufe.
Ein besonders lukratives Feature: der sogenannte Battle Pass. Mit dem kann man exklusive Belohnungen erspielen – etwa Outfits oder Bannersymbole. Das Konzept wird erstmals 2013 im Multiplayer Online Battle Arena Spiel Dota 2 von Valve genutzt und hat sich seitdem als Alternative zu den vielkritisierten Lootboxen oder Abo-Modellen etabliert. Fortnite und Dota 2 sind hier keine Ausnahmen. Auch andere Online-Spiele wie Rocket League oder PlayerUnknown´s Battlegrounds nutzen das System – da heißt der Battle Pass dann etwa Rocket Pass oder Survivor Pass. Oft gibt es zusätzlich zur kostenpflichtigen eine kostenlose Version des Battle Pass – der allerdings weniger und minderwertige Belohnungen bietet. Stets natürlich mit der Option, auf den kostenpflichtigen Pass upgraden zu können. In Fortnite gilt ein Battle Pass für eine Saison, die zehn bis zwanzig Wochen dauert. Heißt, die im Battle Pass enthaltenen Aufgaben müssen, damit die Belohnungen freigeschalten werden, innerhalb dieser Saison erledigt werden. Wer keine Zeit hat, kann sich die Fortschritte aber auch erkaufen. Ein Battle Pass kostet 950 V-Bucks, umgerechnet rund 10 Euro.
Der Battle Pass in Fortnite nutzt also wie in anderen Online-Spielen zeitliche Limitierung und künstliche Verknappung als Monetarisierungselemente. Dadurch steigt der Druck auf die Spielenden, Zeit im Spiel zu verbringen oder, alternativ, noch mehr Geld auszugeben, wenn die Zeit nicht erübrigt werden kann. Psychologische Grundlage ist hier das Phänomen fear of missing out (FOMO) – also die Angst, etwas zu verpassen und den Anschluss an die Peergroup zu verlieren. Die Spieleentwickler*innen stehen dabei vor der Herausforderung, den Fortschritt auf dem Battle Pass so zu skalieren, dass er nicht in zu scharfem Kontrast zur erwarteten Spieldauer steht. Heißt: Sind die Challenges zu eng getaktet, steigt das Risiko des grinding. Also monotone Wiederholungen immergleicher Aktionen, etwa Kämpfe gegen schwächere Gegner, um Erfahrungspunkte zu sammeln – einzig auf das Ziel hin, eine bestimmte Punktzahl zu erreichen, um den Fortschritt zu erreichen. Ein Beispiel ist hier das Battle Pass-Debüt des Multiplayer Ablegers Halo Infinite von 2021, der in der Community anfangs wegen seiner zu langsam getakteten Fortschrittskurve kritisiert wurde.
Fornites Battle Pass: Die ultimative Monetarisierung
Auch wenn das Battle Pass-Konzept schon in Spielen wie Dota 2 oder Team Fortress 2 genutzt wurde – Fortnite perfektioniert das Monetarisierungssystem. Epic Games strukturiert das gesamte Spiel nach Seasons, richtet damit einen regelrechten Gesamtschedule der Geldmacherei ein. Und bricht damit alle Rekorde. Allein am ersten Tage der dritten Season, im Februar 2018, verkauft Epic mehr als fünf Millionen Battle Pässe und verdient daran über 50 Millionen US-Dollar. An einem einzigen Tag. Und der Geldsegen geht weiter: Im Frühjahr 2018 erscheint Fortnite für Mobilgeräte und generiert in den darauffolgenden Monaten Hunderte Millionen Dollar pro Monat. Primär aus Battle Pass-Verkäufen.
Ein Vorteil liegt auch darin, dass Battle Pässe, im Gegensatz zu den seit längerem in der Kritik stehenden Lootboxen, noch vergleichsweise wenig problematisiert sind. Als Fortnite mit dem Konzept erstmals erfolgreich wird, kommt das zu einer Zeit, als die in vielen Spielen genutzten Lootboxen bereits kontrovers diskutiert und auch außerhalb der Gaming-Community der breiten Öffentlichkeit durch entsprechend kritische Artikel in den Leitmedien bekannt werden. Gerichte in Belgien und den Niederlanden stufen in wegweisenden Urteilen die Lootbox-Systeme einiger Spiele als illegale Glücksspiele ein. Lootboxen sind zunehmend negativ konnotiert, werden dadurch unattraktiver für die Games-Konzerne. Und streckenweise schlicht illegal. Auftritt Battle Pass. Die Pässe bieten sich als moralisch und rechtlich weit weniger aufgeladene Alternative an. Auch, weil sie transparent machen, welche Belohnungen die Spielenden erwartet. Andere Spiele springen auf den Fortnite Battle Pass-Zug auf: Clash of Clans, Overwatch 2 und Call of Duty Mobile sind nur einige Beispiele.
Manche Spiele wie Super Animal Royale oder das bereits erwähnte Halo Infinite verwenden zeitlich unbegrenzte Battle Pässe. Hier können auch alte Pässe bereits vergangener Saisons erworben werden – allerdings kann immer nur ein Pass aktiv geschalten werden. Im kooperativen First-Person-Shooter Deep Rock Galactic werden saisonale Items, etwa kosmetische Features wie Skins und Outfits, auch nach Ablauf der Saison übertragen. Auch wenn sich die Challenges und Details der jeweiligen Battle Pässe von Spiel zu Spiel unterscheiden – der Grundgedanke ist stets ähnlich: Der Pass gilt für einen begrenzten Zeitraum und lockt mit exklusiven Belohnungen, die, einmal erlangt, als Statussymbole wirken und entsprechend begehrt sind. Diese sind künstlich verknappt und erhöhen damit noch einmal die Exklusivität der Besitzer*innen. Elite ist hier, wer besonders seltene Items ergattert und damit seinen Gamer*innen-Status unterstreicht. Wer mit einem vorgefertigten Skin spielt, wird stigmatisiert: `Default´ ist eine gängige Beschimpfung. Also jemand, der die eigene Spielfigur einfach aus den – kostenlosen –Voreinstellungen übernimmt.
Was Erziehungsberechtigte tun können
Ganz hilflos sind Eltern und Erziehungsberechtigte indes nicht. Sie können in den Spieleinstellungen selbst zumindest für ein Mindestmaß an Sicherheit sorgen. Bei Fortnite kann zum Beispiel eine Kindersicherung eingerichtet werden. Damit wird etwa der Chat auf anstößige Sprache hin gefiltert oder die Chatoption gleich ganz deaktiviert. Über eine sechsstellige Pin können Erziehungsberechtigte sicherstellen, dass die Einstellungen von niemand anderem verändert werden. Ausgaben im Spiel können ebenfalls eingeschränkt werden. Über die Steuerelemente im Epic Games Store kann für sämtliche Käufe ebenfalls eine PIN verlangt und versehentliche Ausgaben oder Mehrausgaben so verhindert werden. Die gab es in der Vergangenheit zuhauf. Denn: Von den bereits erwähnten 520 Millionen US-Dollar Strafzahlungen gehen allein 245 Millionen Dollar Rückzahlungen an Betroffene. Nach Angaben der zuständigen US-Verbraucherschutzbehörde eine Rekordsumme. Gerade für Minderjährige seien durch das manipulative und intransparente Monetarisierungssystem nicht autorisierte Kosten in Millionenhöhe entstanden, die „ohne jegliche Beteiligung der Eltern“ getätigt wurden. Es bleibt abzuwarten, ob die Klagen gegen potentiell manipulative Systeme wie sie etwa in Fortnite benutzt werden langfristig zu strengeren Regularien für die Anbieter führen. Epic Games will nach eigenen Angaben im Zuge der Zahlung die Spieleinstellung ändern, um Minderjährige besser zu schützen. Wie ernst gemeint das ist, wird sich freilich erst zeigen müssen.
Der Spieleratgeber bietet ebenfalls Jugendschutz-Anleitungen für alle gängigen Spieleplattformen an. Hier geht es zur Anleitung für den Epic Games Launcher.