Gaming mit Behinderung – So spiele ich blind!

30.03.2023 | Diversität

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Die Anforderungen an Barrierefreiheit digitaler Spiele sind so vielfältig wie die Menschen, die diese nutzen wollen. Behinderungen fallen sehr unterschiedlich aus und so stoßen Spieler*innen auf sehr verschiedene Barrieren. Dann heißt es oftmals kreativ werden: Einige nutzen Technologien oder entwickeln andere hilfreiche Strategien. Doch nicht alle Hürden lassen sich selbständig überwinden. So wird der Wunsch der Community immer deutlicher, Menschen mit Behinderung in den neuesten Spiele-Entwicklungen mitzudenken, mit einzubeziehen und Gaming langfristig für alle zu ermöglichen.

Svenja OttawaIn diesem Interview berichtet die Gamerin Svenja von ihren Erfahrungen beim Spielen und welche Anforderungen sie persönlich an Barrierefreiheit in digitalen Spielen hat. So möchten die Teams vom Spieleratgeber-NRW und Gaming ohne Grenzen Sichtbarkeit für verschiedene Behinderungen schaffen und einen Beitrag zur Förderung von Barrierefreiheit in Games leisten. Du bist ebenfalls Gamer*in mit Behinderung und möchtest uns an deinen Erfahrungen teilhaben lassen? Dann melde dich gerne unter info@gaming-ohne-Grenzen.de oder über die Social Media Accounts des Teams!

Hi Svenja! Danke, dass du dir Zeit für unsere Fragen nimmst. Es wär toll, wenn du dich kurz vorstellen könntest und uns dabei erzählst: Welche Rolle spielt das Zocken von digitalen Spielen in deinem Leben? Und was spielst du besonders gerne?

Pikachu kämpft gegen MagnemiteSehr gerne. Ich bin Svenja, 31 und arbeite als Softwareentwicklerin. Als ich ganz klein war, habe ich an der Konsole meiner Schwester immer Pokémon Stadium gespielt. Das ging nur, weil sie mir alles eingeschaltet hat. In den Kämpfen wurde alles angesagt und ich wusste, was ich drücken muss. Damals dachte ich, ich werde nie richtig zocken können, weil nichts für Blinde spielbar war. Später habe ich angefangen, textbasierte Games zu zocken (so genannte MuDs). Das steht für Multi User Dungeon. Es gibt zwar Audiogames, aber ich wollte immer auch mit sehenden Freund*innen zocken können und vor über einem Jahr habe ich Hearthstone entdeckt, für das jemand einen Patch geschrieben hat, damit man es mit ScreenReader spielen kann. Das ist seitdem mein Lieblingsgame und ich streame es auch auf Twitch, aber es reicht mir nicht mehr. Daher bin ich sehr froh, dass Barrierefreiheit in Games immer mehr zum Thema wird.

Cool, dass man Hearthstone mit Screenreader so gut spielen kann! Ich habe das Spiel früher auch mal leidenschaftlich gezockt. Dein Twitch-Account sieht auch sehr spannend aus. Was genau würdest du dir denn von zukünftigen Games und deren Entwickler*innen wünschen, damit digitale Spiele für dich und andere blinde Menschen zugänglich werden? Was fehlt da momentan noch und was soll/ muss mehr mitgedacht werden?

So ganz allgemein: Support für ScreenReader. Ich bin erst kürzlich auf ein Spiel gestoßen, das zwar Accessibility-Optionen hat, die kann ich aber blind nicht ohne Hilfe einstellen, weil ich gar nicht erst in die Settings komme. Es handelt sich um Sea Of Thieves. Ich habe den Support angeschrieben und sie haben mir bestätigt, dass es gerade keinen Screenreader-Support gibt, aber dass sie meinen Vorschlag weitergeben. Ob das allerdings umgesetzt wird, können sie nicht versprechen. Ich wünsche mir auch allgemein viel mehr Offenheit und dass auch solche Basics mitgedacht werden. Screenreader-Support umfasst auch sprechende Menüs, leider kenne ich mich selbst nicht genug aus, um das konkret zu benennen. Ein Spiel, das da kaum Wünsche offen lässt, ist As Dusk Falls. Das habe ich komplett durchspielen können. Die Sprachausgabe kam zwar von Sapi, nicht vom Screenreader, was idealer wäre. Aber sie haben viel richtig gemacht.

Eine Frau blickt auf den Mann neben ihr.

As Dusk Falls

Dann gibt es ja immerhin schon eine positive Tendenz, und Feedback aus der Community – wie von dir – hilft da bestimmt auch! Insgesamt wünschst du dir also, dass die entsprechenden Optionen direkt bei der Spieleentwicklung mitgedacht werden, richtig? Was glaubst du, könnte da die Weiterentwicklung in Richtung Barrierefreiheit und Zugänglichkeit verbessern und beschleunigen?

Ich glaube, es ist wichtig, die Betroffenen mit einzubeziehen. Viele Spiele landen ja in Betatests. Wenn man da entsprechend ausschreibt: Wir suchen Gamer*innen, die blind sind und unsere Accessibility-Optionen testen könnten, dann wäre ich die Erste, die „Hier!“ schreit. Ich hatte sogar mal eine Nachricht mit einem Betakey, den habe ich auch eingelöst. Leider habe ich es dann nicht mehr bis zum Release geschafft, zu spielen. Aber das war so ein Freudenmoment, dass ich da angeschrieben wurde, das ist ja auch eine Chance für Content meines Streams. Das „Spieler*innen, die blind sind“ kann man natürlich auf alles ausweiten. Nur so kann sich was verändern, wenn ein Austausch miteinander stattfindet. Natürlich gibt es auch Menschen mit Behinderung, die diese Aufklärungsarbeit nicht leisten wollen, aber davon darf man sich als Developer*in nicht verunsichern lassen und einfach weiter nach Menschen suchen, die da gern helfen.

Hast du denn das Gefühl, dass Gamer*innen mit Behinderung bereits ausreichend repräsentiert und vernetzt sind? Gibt es etwas, was in der Community noch mehr betont werden sollte?

Das kann ich nicht beurteilen. Ich bin zwar in vielen Discord-Servern, wo auch andere blinde Gamer*innen sich austauschen, aber außerhalb davon bekomme ich eher weniger mit, wie gut Gamer*innen mit anderen Behinderungen vernetzt sind. Ich kenne auch viel zu wenig Spiele, als dass ich mit Sicherheit sagen könnte, ob es da noch zu wenig Repräsentation gibt. Aber vermutlich wird es wie in allen Bereichen sein, dass sich da noch einiges tun muss.

Möchtest du sonst noch etwas hinzufügen? Ansonsten wünsche ich dir alles Gute, viel Erfolg und vor allem Spaß beim Zocken und Streamen! Danke für das Interview und die spannenden Einblicke in deine Welt als blinde Gamerin.

Danke für die Möglichkeit dieses Interviews! Wenn ihr in meinen Stream kommt, traut euch ruhig, mir Fragen zu stellen. Ich bin, was das angeht, absolut entspannt, Berührungsängste braucht ihr bei mir nicht haben.