Sucht und Abhängigkeit

Bei dem überwiegenden Teil der Kinder und Jugendlichen ist die Leidenschaft für spannende virtuelle Erlebniswelten ein Hobby unter vielen. Manche Eltern sorgen sich allerdings, wenn sich ihre Kinder kaum vom Bildschirm lösen wollen und digitale Spiele den Alltag zu dominieren scheinen. Aber können Minderjährige überhaupt von digitalen Spielen abhängig werden? Welche Faktoren begünstigen eine problematische Nutzung? Und welche Regeln helfen bei der Vorbeugung und wo finden Eltern oder ihre Kinder im Ernstfall Unterstützung?

Sucht oder Abhängigkeit – welcher Begriff ist richtig?

Abhängigkeit und Sucht meinen umgangssprachlich meist dasselbe. Der Suchtbegriff wird im Alltag allerdings auch für als negativ wahrgenommene Verhaltensweisen, wie „Sucht nach Macht“ oder „Sucht nach Süßigkeiten“, verwendet. Daher entschied die Weltgesundheitsorganisation (WHO) im Jahr 1964 stattdessen den wertneutraleren und konkreteren Begriff “Abhängigkeit” zu verwenden. Dies sollte die Stigmatisierung Erkrankter vermeiden und verdeutlichen, dass es sich bei der Abhängigkeit um eine Krankheit handelt. Aus diesem Grund wird im Folgenden der medizinisch geprägte Begriff der Abhängigkeit gebraucht. Unterschieden wird zwischen substanzgebundenen Abhängigkeiten, wie dem schädlichen Gebrauch von Rauschmitteln (z.B. Drogen oder Alkohol), sowie substanzungebundenen Abhängigkeiten, wie dem pathologischen Glücksspiel. Für die Abhängigkeit von digitalen Spielen im Speziellen nutzt die WHO den englischsprachigen Begriff Gaming Disorder.

Was ist eine Gaming Disorder?

Der ICD-11-Katalog benennt für die Diagnose einer Gaming Disorder drei Kriterien: 

  1. Kontrollverlust über das Spielverhalten
    …wenn Personen selbst dann nicht aufhören zu spielen, wenn ein wichtiger Termin ansteht oder die Situation unangemessen erscheint.
  2. Vorrang von Spielen gegenüber anderen Interessen…
    …wenn sich Spielende von der Außenwelt abschotten und Freunde, Familie, Hobbys oder Pflichten vernachlässigen.
  3. Eskalation des Spielverhaltens trotz negativer Konsequenzen…
    …wenn es durch das Spielen in einem oder mehreren Lebensbereichen wie Schule, Beruf oder Gesundheit zu erkennbar negativen Konsequenzen kommt oder trotz persönlichem Leidensdruck nicht aufgehört werden kann.

Bedingung für eine Diagnose ist das Erfüllen der oben genannten Aspekte über einen Zeitraum von mindestens einem Jahr sowie eine erhebliche Beeinflussung der persönlichen Lebensführung. Die episodische, teils auch problematisch erscheinende Faszination für ein digitales Spiel ist somit nicht gemeint. Die WHO führt weiterhin aus, dass bei einer Abhängigkeit auch körperliche Funktionen beeinträchtigt sein können, darunter das Augenlicht oder die Fitness.

Was ist der ICD-Kriterienkatalog?

Der ICD-Kriterienkatalog (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems) definiert als weltweiter Standard verschiedenste Verletzungen, Krankheiten, Störungen oder auch Todesursachen. Fachkräfte können sich an den im Katalog beschriebenen Symptomen bei der Diagnose orientieren und Behandlungen entsprechend abrechnen. In der Vergangenheit war die Computerspielabhängigkeit nicht aufgeführt. Daher mussten Ärzte sich (bei der Anamnese/bei der Diagnostik) an anderen Diagnosen mit ähnlichen Symptomen orientieren wie beispielsweise der Depression. In der elften Version des ICD hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Computerspielabhängigkeit schließlich unter der Bezeichnung Gaming Disorder zu einer eigenständigen Diagnose erklärt.

Unterschiedliche Meinungen zur Diagnose Gaming Disorder

Die Änderungen des ICD-11 sind seit dem 1. Januar 2022 gültig. Für Änderungen und Neuaufnahmen im ICD sind stets auch kulturelle und gesellschaftliche Faktoren ausschlaggebend, welche von der Wissenschaft auch durchaus kontrovers diskutiert und kritisch hinterfragt werden. 

Befürworter sind sich einig: Die Aufnahme der Diagnose im ICD-11 sei Voraussetzung für die Finanzierung einer Behandlung und stelle den Grundstein dar, Betroffenen adäquat helfen zu können. Dazu gehören ein zielgerichteter Aufbau von Therapie- und Präventionsangeboten sowie die Etablierung von Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten für Therapeut*innen sowie anderer Fachkräfte. Denn momentan gibt es nur wenige auf die Abhängigkeit von digitalen Spielen spezialisierte Einrichtungen und kaum qualifiziertes Personal – insbesondere in strukturschwachen Regionen.

Bei der Aufnahme der Gaming Disorder im ICD-11 verweisen Kritiker*innen auf eine vorherrschende moralische Panik. Ähnlich hysterische Reaktionen hinsichtlich einer Wirkungsvermutung gab es bereits in Bezug auf z.B. Comics oder Liebesromane, was aus heutiger Perspektive überzogen wirkt. Zudem wird bemängelt, dass es keinen wissenschaftlichen Konsens gibt und die den Entscheidungen zugrundeliegenden Studien methodische Schwächen aufweisen. Damit sei eine Aufnahme der Gaming Disorder als Diagnose nicht ausreichend begründet. Zudem sei durch das Fehlen einheitlicher Kriterien und dadurch bedingt auch einer allgemeingültigen Bewertungsgrundlage eine Vergleichbarkeit der Ergebnisse nicht gewährleistet.

Die WHO erhofft sich allerdings durch die Aufnahme der Gaming Disorder im ICD-11, verlässliche Daten zur wissenschaftlichen Evaluation gewinnen und dadurch neue Therapieansätze sowie weitere Forschungsbedarfe ableiten zu können. Denn durch bisher verwendete Ersatzdiagnosen existiert eine hohe Dunkelziffer hinsichtlich der möglicherweise von einer Gaming Disorder betroffenen Personen und erfolgreicher therapeutischer Maßnahmen.

Bewältigungsmechanismus

Es herrscht Uneinigkeit darüber, ob eine Abhängigkeit nur ein Symptom anderer psychischer Erkrankungen ist, oder ob die problematische Mediennutzung psychische Krankheiten erst verursacht. Der Begriff Coping bezeichnet die Bewältigung einer schwierigen Lebenssituation. Und auch das exzessive Spielen wird von manchen Jugendlichen als eine solche Strategie genutzt. Manchmal verbergen sich hinter einem problematischen Spielverhalten tieferliegende Probleme wie die Trennung der Eltern, Mobbingerfahrungen, enormer Leistungsdruck, ein geringer Selbstwert oder gar Erkrankungen wie Depressionen oder Angststörungen. Einige Psycholog*innen sind deswegen der Meinung, dass bei der Diagnose einer Gaming Disorder möglicherweise die individuelle Lebenssituation der Betroffenen nicht ausreichend berücksichtigt wird und als Folge anstatt der Ursache lediglich Symptome behandelt werden. Befürworter der Diagnose Gaming Disorder führen hingegen an, dass Coping ein zentrales Element aller Abhängigkeitserkrankungen und eine Komorbidität die Regel sei. Auch ein sogenannter Spiraleffekt wird benannt: Exzessive Nutzung und vorhandene psychische Belastung bedingen und verstärken sich dabei gegenseitig.

Zeitstabilität

Der Zustand der problematischen Nutzung digitaler Spiele erweist sich in der Regel als nicht zeitstabil: Viele Spielende mit problematischen Nutzungsmustern reduzieren ihre Nutzungszeiten auch wieder, wenn andere Aspekte im Leben bedeutsamer werden. Zudem ist im Kontext der Gaming Disorder oft von Online-Games die Rede. Bei Online-Spielen handelt es sich jedoch um kein Genre im herkömmlichen Sinne. Vielmehr werden hier alle digitalen Spiele subsummiert, die über einen Online-Modus verfügen. Dazu gehören Minecraft und Mario Kart ebenso wie Fortnite: Battle Royale oder World of Warcraft. Gerade die jugendkulturelle Bedeutung scheint den exzessiven Konsum zu begünstigen. Nichtsdestotrotz gibt es bestimmte Mechanismen zur Förderung eines exzessiven Mediennutzungsverhaltens, die bei der Alterskennzeichnung von Spielen als möglicher Aspekt einer Jugendbeeinträchtigung geprüft werden.

Stigmatisierung

Von einer Diagnose Gaming Disorder fühlen sich nicht nur Spieler*innen an den Pranger gestellt, die eine ähnliche stigmatisierende Debatte wie einst bei der „Killerspiel-Diskussion“ befürchten. Auch die Games-Industrie sorgt sich um ihren Ruf und eine gesellschaftlich als krankhaft wahrgenommene Ausübung eines Hobbys, wie die Stellungnahme des Branchenverbandes Game e.V. verdeutlicht. Allerdings trägt die Branche auch eine Verantwortung, die durch eine gesellschaftliche Debatte angeregt werden könnte. Zum Beispiel bezüglich einer Haltung gegenüber glücksspielähnlicher Mechanismen wie Lootboxen oder der Implementierung von Jugendschutzfunktionen in digitalen Spielen als Selbstverpflichtung.

Pathologisierung

Besondere Vorsicht sollte bei der Diagnostik von Jugendlichen walten. Diese Lebensphase ist geprägt von exzessiven Verhaltensweisen sowie dem Ausloten von Grenzen. Konflikte zwischen Eltern und Jugendlichen sind meist Ausdruck eines ganz normalen Prozesses der Ablösung und des Aufbaus einer eigenen Identität. Und das Spiel hat eine wichtige Funktion bei Heranwachsenden. Hier können sie sich gefahrlos ausprobieren und als selbstwirksam erleben. Werden Jugendliche in ihrer Rebellionsphase als abhängig abgestempelt, könnte dies langfristigen Einfluss auf das Selbstwertgefühl und damit auch negative Auswirkungen auf den weiteren Werdegang mit sich bringen. Daher solle laut Kritiker*innen die Diagnose auf Erwachsene beschränkt werden. Die Diagnose Gaming Disorder könne zudem den Beginn einer zunehmenden Pathologisierung der Mediennutzung Jugendlicher darstellen, an deren Ende zahlreiche weitere medienzentrierte Krankheitsbilder stehen.

Jugendlicher spielt Minecraft und hat mehrere Monitore vor sich.

Motive für das exzessive Spielen

Die Gründe, weshalb Jugendliche viel Zeit mit digitalen Spielen verbringen, sind vielfältig. Im Zusammenhang mit exzessivem Spielen bzw. Abhängigkeit werden immer wieder Online-Spiele genannt, darunter Rollenspiele, Strategiespiele und Shooter. Doch was macht diese Spiele so reizvoll, sodass manche Gamer*innen die Balance zwischen Alltag und Spielkonsum verlieren?

Eskapismus

Gerade wenn Misserfolge und Frustrationen den Alltag von Jugendlichen bestimmen und sie sich gegenüber Problemen und Konflikten ohnmächtig fühlen, können digitale Spiele eine problematisch hohe Bedeutung einnehmen, um alltägliche Sorgen zu verdrängen. Denn das Erleben von spannenden virtuellen Abenteuern kann als willkommene Ablenkung oder Belohnung dienen. In den Spielwelten erfahren sie ständig positive und angenehme Rückmeldungen. Jeder Sieg wird vom Spiel selbst gelobt und bei herausragenden virtuellen Erfolgen ist der Respekt von Freund*innen gewiss. Gefährdete Jugendliche missbrauchen so ihr Hobby, um immer wieder eine angenehme Gefühlslage herzustellen. In diesem Zuge lernen sie zunehmend weniger alternative Verhaltensmuster, wie z.B. angemessene Bewältigungsstrategien für frustrierende oder konfliktreiche Lebenssituationen. Denn Spielerfolg, und das damit verbunden angenehme Gefühl, stellt sich bei einer hohen Zeitinvestition viel eher ein.

Zwiespalt

Gemeinsames Spielen macht viel Spaß. Erfolgsorientierte Gemeinschaften treffen sich mehrmals pro Woche, oft sogar täglich für jeweils einige Stunden. Damit verbunden ist auch ein gewisser Druck, teilnehmen zu müssen. Schließlich möchte man als verlässlich wahrgenommen werden und zu einem vereinbarten Termin pünktlich eingeloggt sein, um den festen Stammplatz in der Gemeinschaft nicht zu gefährden. Ein Freundeskreis toleriert es normalerweise, wenn jemand verspätet ins Spiel kommt oder manchmal absagen muss. Eine auf das Online-Spiel beschränkte und erfolgsorientierte Gemeinschaft wird den Stammplatz vielleicht anderweitig vergeben oder Druck aufbauen.

Jugendliche können in einen Zwiespalt zwischen den Verpflichtungen gegenüber den Freund*innen und der Spielgemeinschaft und den realen Verpflichtungen des Alltags geraten, wie beispielsweise Hausaufgaben oder Sporttraining. Für manche Jugendliche stellt dies eine schwierige Gewissensentscheidung dar und sie geraten aus der Balance. Denn wenn die Spielgemeinschaft diesen inneren Konflikt zunehmend gewinnt, führt das zu dauerhaften Misserfolgserlebnissen im Alltag. Und den Frust versuchen gefährdete Jugendliche wiederum durch intensives Spielen zu verdrängen.

Spiele(n) ohne Ende

Filme und Bücher haben in der Regel ein Ende. Anders verhält es sich bei vielen Online-Spielen, bei denen eine Spielrunde beliebig oft wiederholt werden kann. Auch storybasierte Online-Games werden stetig weiterentwickelt und bieten immer neue Abenteuer. Viele sind zudem so angelegt, dass sie sich auch in Abwesenheit der Spielenden weiterentwickeln (persistente Spielwelten). Manchmal entstehen sogar negative Konsequenzen bei Abwesenheit, wie der Verlust von Belohnungen oder ein gegnerischer Angriff, auf den nicht reagiert werden kann. Aus Angst davor, den Anschluss zu verlieren oder etwas zu verpassen, kann sich ein Druck entwickeln, so oft wie eben möglich online sein zu wollen.

Streben nach Anerkennung

Wer bestimmte Spielerfolge vorweisen kann, erfährt Respekt und Bewunderung in der Online-Community. Dies kann z.B. eine mächtige Waffe, eine wertvolle Sammelkarte oder der für alle erkennbare Rang einer Spielfigur sein. Solche Trophäen müssen meist hart erarbeitet oder mit Glück gewonnen werden, beispielsweise durch das Bewältigen komplexer, mehrstündiger Aufgaben oder das ständige Wiederholen einer Partie. Zudem sind Belohnungssysteme oft sehr komplex aufgebaut und lassen sich nicht berechnen. Die ersten Erfolge stellen sich meist schnell ein, doch an die Spitze kommen nur die Wenigsten – und das mit hartem und zeitintensivem Training. Tappen Spielerinnen und Spieler in diese Falle und messen ihrem Status im Spiel eine hohe Bedeutung zu, geraten sie womöglich in eine zeitintensive Endlos-Schleife.

Identifikation mit dem Avatar

Fühlen sich Spielende im Alltag minderwertig, erfüllt die Spielfigur (Avatar) eine ganz besondere Funktion: Durch sie besteht die Möglichkeit, mittelbar mit anderen in Kontakt zu treten und sie dient darüber hinaus als eine Art Schutz vor persönlichen Verletzungen. Sie kann das verkörpern, was Spielenden zu fehlen scheint: Macht, Stärke, Durchsetzungsfähigkeit und ein hoher Status in der Community. Mit fortlaufender Spielzeit und steigender Anzahl gemeinsam erlebter Abenteuer bauen Spielende eine immer intensivere Beziehung zur Figur oder der virtuellen Welt auf. Von dieser Beziehungsebene kann eine hohe Bindung und Motivation zum Weiterspielen ausgehen. Das Verbessern eines Avatars kann ebenfalls eine Ausweitung der Spielzeit fördern. Hierbei gilt: Zumeist werden für das Erreichen der ersten Stufe nur wenige Minuten benötigt, sodass auch ungeübte Spieler*innen schnell Erfolge erzielen können. Allerdings steigt dieser Zeitaufwand im weiteren Verlauf an.

Vorbilder

Erfolgreich und berühmt als Profi-E-Sportler*in oder Streamer*in zu sein, ist häufig ein Traum von Jugenldichen, denn sie suchen und finden ihre Idole im Internet. Doch die prominenten Stars aus der Gaming-Community beschäftigen sich professionell mit digitalen Spielen, was mit einem hohen zeitlichen Aufwand, Talent und mühsam angeeigneten Kompetenzen einhergeht. Dies ist den Zuschauenden häufig nicht bewusst. Eine starke Identifikation, gepaart mit Fehleinschätzung hinsichtlich der eigenen Begabung, kann frustrieren und gleichzeitig eine entsprechend hohe Zeitinvestition nach sich ziehen. Zudem sind Online-Communities nicht altershomogen strukturiert. Wenn sich Heranwachsende mit Erwachsenen vergleichen und ihr Spielverhalten auf deren Konsumgewohnheiten abstimmen wollen, kollidiert dies mit den alltäglichen Anforderungen wie Schule und Beruf.

Inwieweit eine zeitintensive Nutzung von digitalen Spielen als bedenklich einzustufen ist, muss individuell geprüft werden. Dabei sollte nicht nur nach dem „Wie oft“ und dem „Wie lange“ gefragt werden. Vor allem das „Warum“ ist entscheidend, denn die Ursachen können vielschichtig sein und bestimmte Faktoren begünstigen eine Abhängigkeit. Dazu gehören:

  • persönliche Faktoren wie Einsamkeit, Schüchternheit oder geringes Selbstwertgefühl
  • Depression, Stress, (Versagens-)Ängste oder die Unfähigkeit, Probleme zu bewältigen
  • das soziale Umfeld, z.B. fehlende Aufmerksamkeit innerhalb der Familie
  • Mobbing in anderen Lebensbereichen (z.B. durch Mitschüler*innen)
  • Misserfolge oder mangelnde Erfolgserlebnisse im Alltag
  • die Internetnutzungserwartung (Wird das Internet gezielt und in erster Linie dazu genutzt, um negative Gefühle zu unterdrücken, reale Probleme zu verdrängen oder zu vermeiden?)
  • Langeweile und wenig befriedigende Interessen und Hobbies
  • kritische Lebenssituationen (Beziehungsprobleme, Trennungen, Probleme mit Schule, Beruf und Studium)
Zentrale Merkmale einer Abhängigkeit von digitalen Spielen

Einengung des Verhaltensmusters
Das Spielen wird als die wichtigste Tätigkeit empfunden und alles Verhalten wird darauf abgestimmt. Selbst in der Schule oder am Essenstisch beschäftigt man sich gedanklich überwiegend mit dem Spiel. Selbst bei einst viel geschätzten Hobbys bleibt das Verlangen zu spielen erhalten. 

Regulation von negativen Gefühlszuständen (Affekten) 
Das Spielen wird als Belohnung eingesetzt, um negative Gefühle wie z. B. Stress in der Familie, schlechte Schulnoten oder Streit mit Freund*innen zu verdrängen.

Toleranzentwicklung 
Die alltäglichen Probleme kehren nach dem Spiel immer wieder. Um das positive Erleben aufrechtzuerhalten, wird die Dosis gesteigert. Häufigere und immer länger werdende Spielzeiten oder extremere Spielinhalte sind Ausdruck hiervon. 

Entzugserscheinungen 
Wird nicht gespielt, kann es zu Entzugserscheinungen kommen. Diese äußern sich ähnlich wie bei stoffgebundenen Süchten durch Zittern, Schwitzen, Nervosität, Unruhe und/oder Gereiztheit.

Kontrollverlust
Der oder die Betroffene ist weder in der Lage, das eigene Spielverhalten kritisch zu hinterfragen, noch zeitliche Einschränkungen durchzuhalten.

Rückfall
Das Spielen auf Dauer einzuschränken misslingt.

Schädliche Konsequenzen
Das Spielen verdrängt realweltliche Verpflichtungen. Hierzu gehören z.B. Schule oder Beruf, Freund*innen und andere Hobbys. Der als frustrierend empfundene Alltag verliert mehr und mehr an Reiz. Dies kann zu psychischen Problemen wie Depression führen. 

Um einen ersten Eindruck zu bekommen, ob die Spiele-Nutzung Grund zur Besorgnis bietet, können Tests bzw. Verhaltensbeobachtungen als Grundlage herangezogen werden, beispielsweise von klicksafe. Doch Vorsicht, denn diese sind nicht als diagnostische oder therapeutische Testinstrumente im klinischen Sinne zu verstehen. Sie dienen nur als Anregung, um über das Nutzungsverhalten nachzudenken und als Methode, um mit Heranwachsenden ins Gespräch zu kommen. Bei Besorgnis sollten Sie im ersten Schritt die Erziehungsregeln anpassen und weitere Informationen einholen. Kommen Sie alleine nicht weiter, kann eine professionelle Beratung helfen.

Gemeinsam mit dem Fachgebiet Allgemeine Psychologie: Kognition an der Universität Duisburg-Essen hat die Landesanstalt für Medien NRW den Selbsttest Reset mit 12 alltäglichen Situationen entwickelt, der bei der Einschätzung der eigenen Smartphone-Nutzung unterstützen kann. Diese Situationen können im Gespräch auch auf die Nutzung digitaler Spiele bezogen werden.

Hände bedienen Maus und Tastatur

Tipps

Signale beachten und Haltung beziehen 
Nicht jede durchspielte Nacht bietet Anlass zur Sorge. Achten Sie darauf, ob das Spielen zu Veränderungen, z.B. in Bezug auf schulische Leistungen, Kontakt zu Freund*innen, Freizeitaktivitäten oder Schlaf- und Ernährungsgewohnheiten führt. Sollten Sie dafür Anzeichen finden, ist es wichtig, im gemeinsamen Gespräch digitale Spiele nicht „zu verteufeln“. Viele betroffene Jugendliche erkennen nicht, dass ihr Verhalten problematisch ist und können die Folgen nicht überblicken. Machen Sie Ihr Kind im Gespräch auf Ihre Wahrnehmung aufmerksam und sprechen Sie ohne Vorwürfe und mit fundierter Haltung über die Medienangebote. Nur so erreichen Sie Ihr Kind. Scheuen Sie jedoch den Konflikt mit Ihrem Kind nicht. Manchmal müssen Eltern auch Grenzen deutlich aufzeigen.

Nach den Ursachen fahnden
Suchen Sie nach den Gründen für den übermäßigen Konsum. Was fehlt Ihrem Kind im Alltag? Welche nicht befriedigten Wünsche und Bedürfnisse hat es? Wo liegen Sorgen und Probleme? Fehlen Halt und Anerkennung und wie können Sie das gezielt ändern? Fördern und gestalten Sie Freizeit- und Beschäftigungsmöglichkeiten in der Familie. Ermutigen Sie, zuvor ausgeführte Hobbys wieder aufzunehmen. Aktivitäten, die Gruppenerlebnisse vermitteln, wie Mannschaftssport oder pädagogische Angebote in einer Jugendeinrichtung, bilden ein sinnvolles Gegengewicht zu virtuellen Erlebnissen.

Onlinetests nutzen
Wenn Sie den Eindruck haben, dass die Spielenutzung Ihres Kindes besorgniserregend ist, können Sie verschiedene Tests bzw. Verhaltensbeobachtungen als Grundlage heranziehen. Diese sind jedoch nur als Anregungen gedacht, über das Nutzungsverhalten Ihres Kindes nachzudenken. Verwenden Sie diese Materialien auch, um mit Ihrem Kind ins Gespräch zu kommen. Eine gemeinsame, verständnisvolle Auseinandersetzung mit der Mediennutzung ist ein erster und wichtiger Schritt.

Hilfe suchen 
Sollten Sie zu dem Schluss kommen, dass Ihr Kind stark gefährdet oder bereits abhängig ist, sollten Sie unbedingt weitere Informationen und professionelle Hilfe einholen. Lassen Sie sich dabei unterstützen, Ihr Kind aus der Medienabhängigkeit herauszuholen. Anlaufstellen sind z.B. Sucht- und Familienberatungen, Kliniken oder Psycholog*innen.