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Spielbeurteilung

A Normal Lost Phone

Interaktive Geschichte auf den Spuren von Diskriminierung, Resilienz und Selbstfindung..

Handyscreen Homebildschirm mit verschiedenen App-Icons.
Handyscreen mit Chatverlauf. Bibi Schule schreibt: "Danke! Euchauch viel Glück" und "Alles Gute zum Geburtstaaaag".
Handyscreen der zeigt: "Dieses Netzwerk ist passwortgeschützt".
Handyscreen der zeigt: "Offline-Login nicht verfügbar" sowie "Lovebirds" und "Verbindung" mit den Optionen "Sam-Thing" und "Sam-Thing-Else".
4
5

Allgemeines

Vertrieb: Plug In Digital
Spielewebsite: Website aufrufen
Erschienen: 26. Januar 2017
Genres:

Jugendschutz & Altersempfehlung

USK Alterskennzeichen

Icon USK 12
USK ab 12 freigegeben (getestet im IARC Verfahren)

Spielmodi:

  • nur alleine spielbar

Pädagogische Altersempfehlung

14
spielbar ab 14 Jahren

Spielbeschreibung

Was passiert, wenn ein fremdes Handy gefunden wird? In A Normal Lost Phone ist das naheliegende Abgeben im Fundbüro nicht möglich. Stattdessen durchstöbern die Spielenden die gespeicherten Inhalte des Smartphones, um das Geheimnis um die Person, die es verloren hat, zu lüften. Dabei handelt es sich um Sam, eine trans* Frau, die an ihrem 18. Geburtstag verschwand.

Im Verlauf wird klar, dass Sam vor der Diskriminierung in ihrem queerfeindlichen Umfeld fliehen musste, zu dem leider auch ihre Herkunftsfamilie zählt. Sams Geschichte setzt sich Stück für Stück aus SMS, E-Mails, Fotos und Dating-Profilen zusammen. Neben Lesen und Kombinieren müssen in erster Linie kleine Passwort-Rätsel gelöst werden. Ziel der Entwickler*innen ist es, Empathie und Verständnis für die Lebensrealitäten von trans* Personen zu schaffen, mit Fokus auf den Themen Identität, Familie und Selbstfindung.

Pädagogische Beurteilung

Repräsentation mit Hindernissen

Das Spiel richtet sich vor allem an Menschen, die bislang wenig direkten Bezug zu den Lebensrealitäten von trans* Personen haben. Es ermöglicht eine Annäherung an diese Perspektiven, doch die gewählte Erzählform birgt Herausforderungen.

Die Prämisse, Sams Privatsphäre zu verletzen, kann insbesondere im Kontext der Darstellung marginalisierter Gruppen problematisch sein. Statt Empathie zu fördern, besteht die Gefahr, dass die Spielenden in eine voyeuristische Rolle gedrängt werden. Hinzu kommt, dass Sams Transidentität als „Plot Twist“ inszeniert wird. Dies kann dazu führen, dass die Lebensrealitäten von trans* Personen exotisiert werden, anstatt sie zu normalisieren. Sie erleben in ihrem Alltag meist häufig Grenzüberschreitungen, Stigmatisierung und Verletzungen ihrer Privatsphäre – ein reales Problem, das in der Spielerfahrung reproduziert wird.

Zur Sensibilisierung werden im Spiel Informationen über queere Begrifflichkeiten und die Erfahrungen fiktiver trans* Personen dargestellt, insbesondere in Form eines Online-Forums. Leider weist die deutsche Übersetzung der Foreninhalte einige inhaltliche Fehler auf, beispielsweise teils veraltete Begriffe im Diskurs über Transidentität und falsche Ansprache einer nicht-binären Person. Dadurch verliert das Spiel in der Übersetzung an Authentizität und verpasst so die Chance, queere Jugendliche angemessen zu repräsentieren. Dies mindert das Potenzial für Bildungsprozesse seitens der Spielenden.

Trotzdem kann das Spiel aus medienpädagogischer Perspektive durchaus genutzt werden, um die Wichtigkeit des Schutzes persönlicher Daten zu thematisieren, da sich nur anhand dieser Sams gesamte Geschichte einfach rekonstruieren lässt.

Eine positive Perspektive

Hervorzuheben ist, dass der Fokus auf Sams Leidensdruck und die Diskriminierung durch Familie und Freund*innen zum Ende hin aufgelöst wird. Sam festigt ihr Identitätsgefühl, findet Zugehörigkeit in ihrer Community und baut sich ein unterstützendes, sicheres Umfeld auf. Dies zeigt queeren Jugendlichen eine hoffnungsvolle Perspektive und repräsentiert eine junge Erwachsene, die mit Resilienz und Mut ihr Coming-out meistert.

Die zugängliche Gestaltung des Spiels, unterstützt durch stimmungsvolle Illustrationen und einen melancholischen Indie-Soundtrack, trägt zur Atmosphäre bei. Das zum Selbstschutz notwendige Aufrechterhalten einer „normalen“ Fassade und Sams großer innerer Leidensdruck werden hierbei authentisch transportiert. Die Interaktivität ist jedoch recht begrenzt und es setzt bei den Spielenden die Bereitschaft große Mengen an Text zu Lesen voraus. Eine Sprachausgabe ist nicht vorhanden, eine deutsche Übersetzung hingegen schon. Aufgrund der hier enthaltenen Fehler empfiehlt sich jedoch der englische Originaltext.

Fazit

A Normal Lost Phone ist ein berührendes Spiel, das wichtige Themen wie Identität, Diskriminierung und Selbstfindung behandelt. Es zeigt die Komplexität der Lebensrealität einer jungen trans* Frau und kann Empathie fördern. Dennoch bleibt die systematische Verletzung von Sams Privatsphäre ein diskussionswürdiger Erzählmechanismus. Das Spiel eignet sich für Jugendliche ab 14 Jahren und kann als Gesprächsanstoß in Bildungs- und Aufklärungsarbeit dienen. Dabei ist es wichtig, die Spielerfahrung mit sensibilisierten Fachkräften gemeinsam zu reflektieren und einzuordnen.