Packshot von Papers, Please. Das Cover zeigt den Titel des Spiels in großen weißen Lettern vor schwarzem Hintergrund. Darüber ist das Logo zu sehen - ein roter Adler, welcher eine durchgestrichene Marke auf der Brust trägt.
Spielbeurteilung

Papers, Please

Grenz-Simulator in einem totalitären Staat.

Eine Ausgabe der "Rules & Regulations for Inspectors".
Eine Auflistung der Einnahmen und Ausgaben der Spielfigur. Oben im Bild ist der Hinweis zu sehen, dass der Sohn der Spielfigur in zwei Tagen Geburtstag hat. Die Einnahmen diesen Monats betrugen 0 Dollar. Die Ausgaben 50 Dollar. Da ursprünglich 75 Dollar angespart worden sind, verbleiben jetzt noch 25 Dollar für den Geburtstag des Sohnes und den restlichen Monat.
Die Papiere von "Hannah Gardener". Sie gibt an in das Land einreisen zu wollen, da sie jemandem einen Besuch abstatten möchte.
Der Schriftzug "You are under arrest for associating with suspicious groups." steht unter dem Bild einer Person, die von zwei bewaffneten Menschen begleitet wird.
4
5

Allgemeines

Vertrieb: 3909 LLC
Spielewebsite: Website aufrufen
Erschienen: 8. August 2013

Jugendschutz & Altersempfehlung

USK Alterskennzeichen

Icon USK 12
USK ab 12 freigegeben (getestet im IARC Verfahren)

Spielmodi:

  • nur alleine spielbar

Pädagogische Altersempfehlung

14
spielbar ab 14 Jahren

Das Spiel beinhaltet moralisch fordernde Inhalte und ernste Themen.

Spielbeschreibung

Das Newsgame Papers, Please mimt den Alltag eines Kontrolleurs am Grenzübergang des fiktiven Staates Arstotzka im Jahre 1982. Der*die Spieler*in verkörpert einen namenlosen Immigranten, der mit seiner Familie nach Arstotzka gezogen ist und dort als Kontrolleur an der Grenze arbeitet. Die Aufgabe ist es aufgrund von verschiedenen – von der Regierung verordneten – Gesetzen zu entscheiden, welche MigrantInnen über die Grenze gelassen werden und welche nicht. Das Besondere ist allerdings, dass diese Gesetzmäßigkeiten sich an jedem Arbeitstag ändern und somit neue spielerische und moralische Herausforderungen für die Spieler*innen liefern. Diese spielen zudem nicht nur unter zeitlichem Druck, sondern auch unter ethischem: einerseits sollen so viele Fälle wie möglich gründlich und fehlerfrei durchgearbeitet werden, andererseits muss die eigene Familie versorgt sein, die durch die schlechten Lebensverhältnisse gefährdet ist. Zur gleichen Zeit müssen Entscheidungen getroffen werden, welche Migrant*innen nach Arstotzka einreisen dürfen und die Anwärter*innen haben teilweise selbst extreme Hintergrundgeschichten vorzuweisen und werden beispielsweise verfolgt oder wollen ihre Familien wiedersehen.

Pädagogische Beurteilung

Der Alltag eines Grenzbeamten

Jeden Morgen, bevor die Hauptfigur die Arbeit antritt, werden neue Anweisungen des Staates Arstotzka mitgeteilt. Aufgabenstellungen wie „foreigners with valid passports/entry tickets“ (zu dt. „Ausländer mit gültigen Pässen/Eintrittsscheinen“) bilden dabei einen Bestandteil. Um diese Aufträge auch zu erfüllen, werden den Spieler*innen neue Funktionen freigegeben. Die Basis hierfür bildet der Aufbau des Inventars: eingereichte Dokumente werden in der Mitte des Arbeitsplatzes ausgebreitet, sodass alle Einzelheiten der Papiere eingesehen werden können. Dies geschieht mithilfe eines Detektors, durch welchen die unterschiedlichen Daten auf den abgegebenen Papieren in Zusammenhang gebracht werden und im Nachhinein als richtig oder falsch eingeschätzt werden können. Anhand eines Buches, welches alle Informationen über die jeweiligen Länder und Einwohner enthält, soll sich die Spieler*innen orientieren. Doch nicht nur der Inhalt, sondern auch die Vollständigkeit der Papiere ist ausschlaggebend für den Einlass nach Arstotzka. So kann beispielsweise das Datum des Dokuments abgelaufen sein oder das dokumentierte Geschlecht nicht mit der wahren Identität der Person zusammenpassen.
Da die Spieler*innen tagesabhängig neue Anweisungen erhalten, werden unter Umständen neue Dokumente verlangt. Hierbei spielt stets die Nationalität eine Rolle. Arstotzka ist umgeben von 6 fiktiven Nachbarländern: Obristan, Antegria, Republia, United Federation, Impor und Kolechia. Diese Länder werden teilweise in Reviere unterteilt, welchen erlaubt wird, nach Arstotzka einzureisen. Das Ziel des Ganzen ist, mithilfe eines „Approved“ und „Denied“ (zu dt. „genehmigt“ und „verwehrt“) Stempels die Papiere der MigrantInnen zu bearbeiten. Demzufolge stehen den Spieler*innen sehr schwierige moralische Entscheidungen bevor.

Die Familie will versorgt sein

Jeder Arbeitstag bemisst sich auf eine bestimmte Spielzeit, in der die Spieler*innen ihre vorgegebenen Aufgaben auszuführen haben. Da der Arbeitsaufwand sich mit neuen Aufträgen steigert, ist es nicht einfach, schnell und erfolgreich zu arbeiten, zumal es vorkommt, dass man Migrant*innen aufgrund von fehlenden Beweisen falsch einschätzt und die Spieler*innen bestraft werden. Nach zwei Fehleinschätzungen und Warnungen oder externen Einflüssen, wie Terroristenanschlägen, wird den Spieler*innen Gehalt abgezogen.
Von Anfang an sind den Spieler*innen die schlechten Lebensverhältnisse bewusst, in denen diese und deren Familie leben. Durch schlechte Arbeit oder Fehler verfügen die Spieler*innen über immer weniger Geld, welches benötigt wird, um für Verpflegung zu sorgen und die steigenden Kosten für Heizung und Wohnung zu bezahlen. Demzufolge erkranken oder sterben die Familienmitglieder, da das Geld möglicherweise nicht ausreicht, um Medikamente zu kaufen. Den Spieler*innen wird am Ende eines jeden Arbeitstages lediglich in Form einer Übersicht und einer tabellarischen Zusammenrechnung aufgezeigt, was sie geleistet haben und wie es um den Zusand ihrer Familie bestellt ist.

Moral und Ethik

Die Spieler*innen befindet sich in einer ständigen moralischen Zwickmühle und fühlen sich in die Rolle des Hauptcharakters hineinversetzt, über den man jedoch keine persönlichen Informationen wie einen Namen oder ein Aussehen erhält. In der Rolle des Grenzers versuchen die Spieler*innen ihrem eigenen moralischen Empfinden gerecht zu werden, möchte jedoch auch schnell arbeiten ohne sich Fehler zu erlauben, um die eigene Familie zu versorgen – letztlich fühlen sich die Spieler*innen in diesem politischen Rollenspiel verantwortlich für die Konsequenzen ihres Handelns. Je nach Verlauf, bzw. den Ergebnissen der Spieler*innen, endet das Spiel nach 9 Arbeitstagen und 20 verschiedenen möglichen Enden.
Hier ist auch wichtig zu erwähnen, dass es keine Formen der Belohnung gibt, wie es normalerweise in Spielen üblich ist, um zu motivieren und Leistungen anzuerkennen. Durch das Fehlen dieses Aspekts wird das schlechte Gefühl des Spiels zusätzlich verstärkt. Es gibt keine Möglichkeit dem Handeln zu entkommen und das schlechte Gewissen kann nicht mithilfe einer hohen Punktzahl ausgeglichen werden.

Beklemmende Atmosphäre

Die PC-Version des Spiels wird ausschließlich mit der Maus gesteuert. Um den komplizierten Sachverhalt verständlich zu machen, wird innerhalb des Geschehens eine Übersicht in Form eines Handbuchs geboten, die das Menü, die dazukommenden Funktionen als auch die Spielanweisungen erklärt.
Papers, Please verfügt über eine spezifische abstrakte Grafik, die die Migrant*innen und allgemein die Umgebung sehr verzerrt darstellt, sodass es teilweise schwierig ist, die Personen zu identifizieren oder gar vermeintliche landesspezifische Äußerlichkeiten zu erkennen – es gibt nur eine kleine Auswahl an individuellen Darstellungen der Personen. Um diesen abstrakten Effekt noch zusätzlich zu verstärken, werden die Stimmen aller Personen komplett verzerrt, wodurch eine mögliche Identifikation bzw. eine Bindung zu den jeweiligen Migrant*innen verhindert wird.
Um einen strengen Charakter innerhalb des Spiels zu konstruieren, wird eine sehr militärische und Steam-Punk ähnliche Melodie gewählt, um eine bedrückende und angespannte Stimmung zu kreieren. Dadurch wirkt die Gesamtatmosphäre sehr belastend, da man sich in einem konstanten Zwiespalt befindet, nach welchen Prinzipien gehandelt werden soll.

Kritische Themen

Die Spieler*innen werden mit explizit dargestellten Thematiken der Sexualisierung, Migration, Gewalt und Kriminalität konfrontiert und durch den Spielverlauf dazu gezwungen, sich moralisch damit auseinanderzusetzen. Das Besondere an dem Newsgame ist nicht der Spaß, sondern das Ziel, die Spieler*innen durch die monoton und eintönig dargestellten Spielinhalte mit einem unguten Gefühl zu entlassen. Hierdurch soll die Wichtigkeit der angesprochenen Themen betont werden.
Um zusätzlichen Schutz gegen vermeintliche Terroristen, Schmuggler oder Kriminelle zu gewährleisten, können beispielsweise Fingerabdrücke genommen und überprüft werden oder nachdem am Grenzübergang Terroranschläge verübt und die Schutzmaßnahmen erhöht wurden, kann auch mithilfe eines Nacktscanners sichergestellt werden, ob sich Waffen am Körper befinden. Falls dies der Fall sein sollte, kommt es zu einer Inspektion und einem Verhör der mutmaßlichen Delinquenten, wobei die Spieler*innen die Täter auch verhaften lassen können. Häufig versuchen Migrant*innen auch den Kontrolleur und damit den Spieler zu überlisten oder zu bestechen und hinterlassen Informationen und hoffen auf Hilfe. Der häufigste Fall für solche Machenschaften kommt von Prostituierten, die im schlimmsten Fall von ihren Zuhältern verfolgt werden und sich den Spieler*innen anbieten.

Fazit

Aufgrund des ausgefallenen Themas und der abstrakten Darstellungsweise löste Papers, Please enorme Aufmerksamkeit aus und gewann etliche Preise. Die abstrakte Grafik und die spezifische Audioebene vermitteln ein besonderes Spielerlebnis und unterstreichen den Charakter des gesamten Spiels. Der Designer Lucas Page entwickelte das Newsgame absichtlich sehr provokant, um mit gesellschaftlich relevanten Themen sehr offensiv umzugehen. Da das Spiel moralisch sehr fordernd ist und enorme kognitive Auseinandersetzungen verlangt ist es erst ab 14 Jahren interessant.