Es gibt sie mittlerweile in einigen größeren und kleineren Städten; sogenannte ComputerSpielSchulen (CSS). Natürlich wirft dieser Name direkt Fragen auf, wie „Computerspiele und Schule – wie passt das zusammen?“ oder „Was kann man da lernen?“ Allerdings bieten die Einrichtungen ganz viel medienpädagogisches Potenzial.
Da wundert es nicht, dass Computerspielschulen ein Selbstläufer sind. Was da jetzt aber genau dahintersteckt, wird im folgenden Artikel geklärt. Nachdem das Konzept erläutert wurde, berichten einige ComputerSpielSchulen von ihren Erfahrungen und Angeboten, auch während der Corona-Krise.
Sinn und Zweck einer ComputerSpielSchule
Mittlerweile gibt es in Deutschland sieben solcher Einrichtungen, die alle nach dem Vorbild der ersten ComputerSpielSchule in Leipzig arbeiten. Mit ComputerSpielSchulen soll ein Verbindungselement zwischen Kindern und Jugendlichen, Pädagog*innen, Eltern und dem ihnen meist noch fremden Medium Computerspiel geschaffen werden. Diesen Parteien wird geholfen, die Gamingkultur gemeinsam zu erkunden. Dabei werden verschiedene Themen miteinbezogen, wie z.B. Kinder- und Jugendmedienschutz, Spielewelten und Suchtpotenzial. Dadurch, dass sowohl Eltern als auch Kinder und Jugendliche von dem Projekt angesprochen werden, soll ein Austausch über die unterschiedlichen Medienverständnisse der Generationen angeregt werden. So wird eine Art „digital gap“ überwunden. Berührungsängste, die Eltern mit dem Medium haben könnten, werden abgebaut, außerdem dienen ComputerSpielSchulen als Anlaufstelle zu Fragen rund um das Thema Games. Grundsätzlich geht es darum, einen Umgang mit digitalen Medien, in dem Fall Computerspiele, zu erlernen und somit seine eigene Medienkompetenz zu erweitern und zu stärken. ComputerSpielSchulen dienen zudem als Ort der Forschung und Entwicklung. Sie sind meistens in Medienzentren, Bibliotheken, Schulen oder Einrichtungen der Kinder- und Jugendarbeit angesiedelt.
Aufgaben einer ComputerSpielSchule
Die meisten ComputerSpielSchulen verfügen über einen offenen Bereich, in dem verschiedene Konsolen und PCs aufgebaut sind. Dort können sich Kinder und Jugendliche, Eltern und Pädagog*innen gemeinsam oder alleine unter verschiedenen Bedingungen einen Umgang mit dem Medium aneignen. Dabei gibt es z.B. nur Spiele für die passende Altersgruppe oder vorgegebene Spielzeiten, um einen exzessiven Konsum zu vermeiden. Pädagogische Mitarbeiter*innen stehen zur Verfügung, um Fragen zu beantworten und Hilfestellung zu leisten. Je nach ComputerSpielSchule gibt es etwas abweichende Regeln oder Angebote, z.B. hat die CSS Freiburg bei jeder Veranstaltung ein bestimmtes Thema, wozu dann passende Games gespielt werden können. Zusätzlich zum Regelbetrieb gibt es verschiedenste Aktionen, um die Medienkompetenz noch weiter zu stärken und auszubauen. Dazu zählen Fachvorträge, Workshops oder Elternabende, die z.T. mit den Kindern und Jugendlichen gemeinsam vorbereitet werden.
Um tiefer in die Materie einzutauchen, kann etwas über Game Design, Storytelling oder Programmieren gelernt werden. Crossmedial wird es dann, wenn Spielepodcasts, Let’s Plays, Videodiskussionen oder Reviews mit den Kindern und Jugendlichen erarbeitet werden. Dabei lernen sie auch das Medium Film/Video besser kennen, wie man vor und hinter der Kamera agiert und Schnittprogramme benutzt. Einige ComputerSpielSchulen verfügen dafür über einen YouTube-Kanal. Wenn es um Spiel und Spaß geht, können auch Gaming-Turniere veranstaltet werden; um kooperatives Gaming anzubieten, gibt es z.B. die Möglichkeit eines gemeinsamen Minecraft-Servers. Ein weiteres, ganz zentrales Projekt sind Spieletestergruppen. Diese gibt es nicht nur beim Spieleratgeber, sondern auch anderorts. ComputerSpielSchulen bieten dafür eine gute Grundlage, da sie über eine große Bandbreite an Konsolen und Spielen verfügen, Mitarbeiter*innen, die die Games gemeinsam mit den Kindern und Jugendlichen pädagogisch aufarbeiten können, und Teilnehmende, die freiwillig dabei sind und Lust auf das Ganze haben.
Im Rahmen des Artikels habe ich die ComputerSpielSchulen Potsdam, Hamburg, Stuttgart, Karlsruhe und Freiburg zu ihrem Betrieb, ihren Besucher*innen und sonstigen Angeboten interviewt. Eine schöne Aussage stammte von der ComputerSpielSchule Karlsruhe: „Das Besondere ist, dass es eine Institution ist, für eine sehr spezielle Zielgruppe, die sonst nirgendwo Anklang findet.“ Grundsätzlich kommen ComputerSpielSchulen in ihrer Stadt sehr gut an. Die regelmäßigen Veranstaltungen in den Städten Potsdam, Karlsruhe, Freiburg und Stuttgart besuchen zwischen 8 und 60 Teilnehmer*innen, je nach Standort, es sammelt sich aber eher im Bereich von 15–25 Kindern und Jugendlichen. Diese regelmäßigen Veranstaltungen finden mindestens einmal im Monat statt, in den meisten ComputerSpielSchulen jedoch einmal die Woche und in Karlsruhe sogar zweimal die Woche. Neben dem Regelbetrieb gibt es auch Veranstaltungen, die unregelmäßig bzw. seltener vorkommen.
Die ComputerSpielSchule Karlsruhe geht z.B. einmal im Monat in ein Seniorenzentrum und spielt dort Wii Sports; „dort leiten Jugendliche Senioren beim digitalen Spielen an, hauptsächlich wird dort Bowling gespielt.“ Ansonsten sind es insbesondere Workshops, Elternabende und andere Sonderprogrammpunkte, die großen Anklang bei Eltern finden. Zum Regelbetrieb kommen oft nur Kinder und Jugendliche, „die Eltern wollen eher einen geschützten Rahmen“, so die CSS Freiburg. In Stuttgart sind Eltern immer willkommen, „oft ist es so, dass die bei den ersten Malen vielleicht mal mit dabei sind und wir haben Kernbesucher, die dann halt wirklich ganz engagiert sind und auch die ganzen Workshops darüber hinaus machen.“ Grundsätzlich ist der Großteil der Besucher*innen aber zwischen 12 und 14 Jahre alt, manche ComputerSpielSchulen werden bereits von 8-Jährigen frequentiert und die Altersgrenze nach oben hin liegt oftmals bei 18 Jahren. Bei der Geschlechterverteilung gibt es große Unterschiede, denn es nehmen deutlich mehr Jungs als Mädchen das Angebot wahr. Die Verteilung in Stuttgart ist am ausgeglichensten und liegt bei ca. einem Drittel Mädchen und zwei Drittel Jungs. Die häufig gespielten Titel sind auch außerhalb der Gamingcommunity bekannt: dazu gehören Minecraft, Fortnite, Super Smash Bros., FIFA und Beat Saber für VR-Konsolen.
In allen ComputerSpielSchulen wird einiges rund um das Thema Gaming gemacht, daher sind in Potsdam auch ganz besonders Pen-and-Paper- oder eigens programmierte Spiele beliebt. Aufgrund der Nähe zum Thema Games und dem Fakt, dass aus den Teilnehmenden mit der Zeit auch kleine Expert*innen werden, sind ComputerSpielSchulen auch Orte, an denen sich wunderbar eine Spieletestergruppe anbinden lässt. Die CSS Stuttgart hat bereits seit einiger Zeit eine Gruppe, die aber bewusst nur Videobeurteilungen erstellt, da die Jugendlichen auch Gefallen an dieser Art von Review gefunden haben und die Motivation so höher ist. Dafür werden dann auch gerne mal Indie Games oder unbekanntere Spiele getestet. Sowohl Potsdam als auch Freiburg denken über die Etablierung einer Spieletestergruppe nach und werden diese wahrscheinlich auch ins Auge fassen, da das Konzept als sehr sinnvoll empfunden wird. Die ComputerSpielSchule Karlsruhe bietet hingegen eine andere spannende Aktion namens „Spielgesteuert“ an, bei der die Kinder und Jugendlichen die Workshops mitveranstalten und so einen Perspektivenwechsel bei Erwachsenen anregen können. Besonders wichtig zu erwähnen ist, dass es bei ComputerSpielSchulen um mehr als nur zocken geht; „Das ist auch ein bisschen unsere Aufgabe: Türen öffnen – abseits vom Gaming“, so die CSS Freiburg. Sie sind ein wichtiger Ort des medienpädagogischen Lernens.
ComputerSpielSchulen und Corona
Während sich die CSS Stuttgart, mit ihren Mitarbeiter*innen und ihren Angeboten, auf YouTube näher vorgestellt hat, blieb die ComputerSpielSchule Karlsruhe über Discord, Teamspeak und andere Plattformen mit ihren Besucher*innen in Kontakt und veranstaltete Sprechstunden, in denen sie alle möglichen Fragen beantwortete. Die CSS Freiburg hatte den Normalbetrieb ebenfalls ins Virtuelle verlegt und via Discord gemeinsam mit den Teilnehmenden jede Woche andere Spiele gespielt. Des Weiteren haben die CSS Hamburg und die CSS Potsdam die ComputerSpielSchule Online ins Leben gerufen. Dabei handelte es sich um ein rein virtuelles Angebot, das in Mozilla Hubs umgesetzt wird. Der digitale Raum war wie eine ComputerSpielSchule in einem minimalistischeren Design gestaltet, sodass die Kinder und Jugendlichen auch noch die Möglichkeit hatten, ihre eigenen Ideen einfließen zu lassen. Es ging darum, kollaborativ zu arbeiten und sich dafür mit verschiedenen Themen auseinanderzusetzen, z.B. Game Design, Craften bei Mindset oder interaktives Storytelling. Der Ablauf bestand meistens aus gemeinsamem Zocken zum Einstieg, einem Workshop- und einem Abschlussteil, bei dem die Ergebnisse vorgestellt wurden. Damit wollte man sich nicht zu sehr von dem „Normalbetrieb“ entfernen und ähnliche Veranstaltungen schaffen. Mitmachen können Jugendliche aus ganz Deutschland, die Teilnehmer*innen werden allerdings ausgelost. Das Angebot fand zwischen Februar und Dezember 2021 statt. Seitdem haben die ComputerSpielSchulen wieder geöffnet.
Standorte
ComputerSpielSchulen gibt es bisher mehreren deutschen Städten. Nähere Informationen und Links zu allen ComputerSpielSchulen sind hier zusammengestellt:
- CSS Filstal
über die Stadbibliothek Goeppingen - CSS Freiburg/Jugendarbeit Jugendhilfswerk:
Homepage, Instagram, Discord, Facebook - CSS Greifswald
Homepage, Facebook, Instagram - CSS Hamburg/Initiative Creative Gaming
Homepage, Facebook, Instagram, YouTube, Twitter, Flickr
(Die ComputerSpielSchule Hamburg läuft derzeit nicht, da sie auf der Suche nach einem neuen Standort ist. Sie beteiligt sich am Projekt ComputerSpielSchule Online.) - CSS Heidenheim
Homepage, YouTube - CSS Karlsruhe
Homepage, Facebook, Instagram, YouTube - CSS Potsdam/Initiative Creative Gaming
Twitter - CSS Stuttgart
Homepage, Projekt Games im Unterricht, Instagram, YouTube - CSS Online
Homepage, Eröffnung - Erste Workshops und Ergebnisse
https://www.youtube.com/watch?v=nIhuro-gm5A
https://www.youtube.com/watch?v=0TnxUEk3ruA