Verkörperung von Trans-Charakteren in Games

17.02.2021 | Diversität

Videospiele greifen immer häufiger aktuelle und relevante Themen, wie  Geschlechteridentität und Sexualität, auf. In diesem Artikel wollen wir uns der Verkörperung von Trans-Personen in Games widmen.

Dass Games nicht nur zur Unterhaltung dienen, sondern auch politisch sein können und wichtige Botschaften transportieren, zeigen gerade in den letzten Jahren zahlreiche Beispiele. So behandelt das Adventure Life is Strange Themen wie Mobbing oder Suizid, Life is Strange 2 geht auf Diskriminierung und Rassismus ein und sogar die BioShock-Reihe zwingt zum moralischen Handeln. In Games wird – insbesondere in den letzten Jahren – Aktuelles und Relevantes aufgegriffen, so auch Geschlechteridentität und Sexualität. Neben der Darstellung von Homosexualität oder der des männlichen und weiblichen Geschlechts, die bereits in Artikeln der Spieleratgeber-Redaktion aufgegriffen wurden, soll es heute um die Verkörperung von Trans-Personen in Games gehen. Dazu werden einige Beispiele kurz angerissen und das aktuelle Adventure Tell Me Why von Dontnod Entertainment genauer analysiert.

Die ersten Games, in denen Trans-Charaktere eine Rolle spielten, kamen bereits relativ früh auf die Bildschirme. Circuit’s Edge, erschienen 1989, war eines der ersten Videospiele, in dem in der Charakterbeschreibung eine Trans-Rolle erwähnt wurde. Inwieweit sie für den Plot relevant war, ließ sich in den Quellen leider nicht finden. Ein weiterer Vorreiter, wenn auch sehr umstritten, was die sensible Umsetzung der Figur angeht, war Super Mario Bros. 2 von 1988.

Birdo, ein Yoshi-ähnlicher Dinosaurier in rosa, denkt – laut Spielanleitung – er sei ein Mädchen und möchte Birdetta genannt werden. Allein diese Aussage ist von den Macher*innen mehr als nur unglücklich gewählt, es geht nämlich nicht ums Denken, sondern um ihre Identifikation als Frau. Auch die Verwendung des falschen Pronomens in der Anleitung wurde bereits mehrfach kritisiert. Allgemein ist die Wahl von Birdos Pronomen oftmals sehr willkürlich, manchmal wird sie korrekterweise mit „she“ angesprochen, seltener als „it“, was nicht richtig ist. Sie gilt aber immer als nicht akzeptierter Charakter. Weiterhin gibt es Szenen, in denen andere sie beispielsweise nicht Birdie nennen wollen, obwohl ihr das lieber wäre; in einem anderen Game muss Birdo als angebliche Verbrecherin aus dem Gefängnis befreit werden, da sie die – laut den Wachen – falsche Toilette benutzt hatte. In manchen Fällen wird Birdo auch als Cis-Frau dargestellt.

2004 veröffentlichte Nintendo Paper Mario: The Thousand Year Door mit einer weiteren Trans-Figur namens Vivian. Die Chancen es dieses Mal besser zu machen, waren vergebens – Vivian wird in dem Game mehrfach fälschlicherweise als Mann bezeichnet und von anderen Charakteren geärgert. Außerdem ist sie in der englischen Version keine Trans-, sondern eine Cis-Frau. Gerade in den 2010ern, in denen Themen wie Geschlechteridentität im öffentlichen Diskurs an Relevanz gewannen, gab es mehr und mehr Games mit Trans-Charakteren; leider haperte es bei vielen an der korrekten Umsetzung.

Einige Positiv-Beispiele kommen vom Entwicklerstudio BioWare. In Dragon Age: Inquisition von 2014 gibt es mit Cremisius „Krem“ Aclassi einen Trans-Mann, für den eine eher weibliche Stimme gewählt wurde. Die Entwickler*innen war es wichtig, dass der Charakter nicht witzig dargestellt ist, sondern ganz natürlich und realistisch in einer Welt vorkommt, in der es keine Möglichkeiten gibt, seine Stimme seinem Geschlecht anzupassen. Krem ist die erste Transgender-Figur des Studios. 2017 wurde in Mass Effect: Andromeda Hanley, eine Trans-Frau, eingeführt, die sich dem spielbaren Charakter sehr schnell öffnet und auch ihren Deadname erwähnt. Infolgedessen stand BioWare in der Kritik, da durch dieses unübliche und sehr offene Outing der Eindruck entstand, dass sie diese Figur nur eingeführt haben, um diese von ihrer Liste abzuhaken. Darauf reagierte das Studio und veränderte den Einführungsdialog um Hanleys Person, die sich in der neueren Version nur dann öffnet, wenn ihr Vertrauen gewonnen wurde. BioWare wurde vielfach vorgeworfen, dass sie mit der Darstellung von queeren Charakteren den Spieler*innen eine Ideologie aufdrücken wollen. Das Studio reagierte, entgegen der Kritik, damit, dass sie in Zukunft noch weitere Figuren der LGBTQ+ Community einbauen werden und somit eine stark ausgegrenzte Gruppe unterstützen wollen. Außerdem wirke sich weder das Geschlecht noch die Sexualität der Charaktere auf das Spielerlebnis aus.

Andere Entwickler*innen schafften es nicht, die Transgender-Thematik richtig in ihre Spiele zu implementieren und wurden dafür harsch kritisiert. In Catherine: Full Body von 2019 gibt es mit der Kellner*in Erica Anderson eine Trans-Frau, die von den anderen Figuren sehr respektlos behandelt wird: sie nehmen sie weder ernst noch ist sie in ihren Augen eine Frau. Weiterhin war CD Projekt S.A., das Studio hinter The Witcher 3: Wild Hunt und ihrem neusten Hit Cyberpunk: 2077, starker Kritik ausgesetzt. Während ihrer Promo Kampagne wählten sie ein Plakat, auf der eine Person mit einem sehr weiblichen Körper abgebildet wurde und in deren Unterhose sich ein großes Gemächt abzeichnete.

Dafür wurde ihnen mehrfach vorgeworfen, transphob zu sein. Außerdem gab es im Vorhinein transphobe Witze sowie einen Tweet, der im indirektem Zusammenhang mit dem #Gamergate veröffentlicht wurde. Im Spiel besteht zwar die Möglichkeit Trans-Charaktere zu erstellen, allerdings ist das Geschlecht an die Stimme gebunden, sodass man, falls man als weiblich erkannt werden möchte, zwangsläufig eine weibliche Stimme auswählen muss. Besser gemacht haben es 2017 die Entwickler*innen von Dream Daddy: A Dad Dating Simulator. Hier hat man bei der Charaktererstellung verschiedene Binder-Möglichkeiten, die von Trans-Männern dazu verwendet werden, die Brüste abzuflachen. Außerdem hat man mit Damien auch eine Transgender-Dating-Option

Letztes Jahr brachte Dontnod Entertainment, das Entwicklerstudio, das hinter Life is Strange steht, ihr neues Spiel Tell Me Why auf den Markt. Im Gegensatz zu den oben genannten Beispielen, die entweder von kleinen Studios entwickelt wurden oder Trans-Charaktere in der Nebenbesetzung haben, ist es das erste Blockbuster-Game eines großen Studios, in dem die Hauptrolle der Trans-Mann Tyler ist. Den Macher*innen ging es am Anfang gar nicht darum, inklusiv zu sein, aber bei der Charakterentwicklung kam Ihnen dann die Idee, dieses Element einzubauen und Identifikationsfläche zu schaffen. Außerdem war es ihnen ein Anliegen zu verstehen, womit die Trans-Community zu kämpfen hat und dies an die Spieler*innen weiterzugeben. Dontnod Entertainment hat es in Tell Me Why geschafft, das Thema nicht künstlich in den Vordergrund zu stellen, sodass es wie aufgezwungen wirkt, sondern subtil, aber dennoch sehr offen angesprochen. Auch Tylers Konflikte, die mit seiner Geschlechtsidentität in Verbindung stehen, werden nicht tabuisiert.

Seine Geschichte beginnt bereits in seiner Kindheit. Tylers Deadname ist Olivia, dies wird aber nur kurz erwähnt, denn er besteht darauf, Ollie genannt zu werden. Außerdem sagt er zu seiner Schwester Alyson, dass er lieber ihr Bruder als ihre Schwester wäre und lässt sich von ihr seine Haare kurz schneiden. Diese Tatsache ist der Ausgangspunkt der zentralen Handlung des Games, bei der die Mutter von Tyler und Alyson von Tyler aus Notwehr vermeintlich getötet wird. Daraufhin kommt dieser nach Fireweed – einem Wohnzentrum für problembelastete Jugendliche – wo er mit seiner Hormontherapie beginnt. Er verbringt zehn Jahre dort und wird mit 20 Jahren entlassen. In der Zeit hat er eine Psychotherapeutin besucht, die ihn immer so akzeptiert hat, wie er ist und ihm somit half, sich selbst zu akzeptieren. Nach seiner Zeit in Fireweed steht seine Mastektomie an, eine Operation, bei der die Brust entfernt wird. Dass Tyler sich allgemein mit Geschlecht und Sexualität auseinandergesetzt hat, sieht man daran, dass er Bücher über diese Themen liest und Treffen der LGBTQ+ Community aufsucht.

Der Umgang seiner Mutter mit seinem Geschlecht ist ein ganz zentrales Thema des Games, da anfangs vermutet wird, dass sie Tyler nicht akzeptiert. In ihrem persönlichen Besitz finden sie Tylers altes Tagebuch, das zeigt, dass seine Mutter, Mary-Ann, auf jeden Fall über sein Geschlecht Bescheid wusste. Ferner hat sie sich ein Buch gekauft, in dem Ratschläge gegeben werden, wie man seine Trans-Kinder aufziehen sollte. Von ihrer sehr religiösen Freundin Tessa erhielt sie einen Flyer für ein christliches Camp, das einer Konversionstherapie ähnelt, allerdings hatte Mary-Ann nie vorgehabt Tyler dorthin zu schicken und hat sich mit Tessa über diese Tatsache gestritten. Mary-Ann hat Tyler immer so akzeptiert wie er ist. Tyler und seine Schwester Alyson treffen nach seiner Zeit in Fireweed auf einige Freund*innen ihrer Mutter, da sie in ihren Geburtsort Delos Crossing zurückkehren. In dem Zusammenhang kreuzen sich die Wege auch wieder mit Tessa, die zugibt, dass sie mit Mary-Ann in der Vergangenheit über das Konversionscamp gesprochen hat, sich aber dafür entschuldigt und Tyler so akzeptiert, wie er ist. Sam, ein Freund Mary-Anns, geht zunächst sehr unbeholfen mit Tylers Geschlecht um und vergleicht ihn mit Transvestiten, entschuldigt sich allerdings unmittelbar dafür. Er nennt ihn von Anfang an Tyler und informiert sich im Laufe der Handlung auch über das Thema Transgender. Die größte Unterstützung wird Tyler von Michael, einem alten Schulfreund von Alyson, entgegengebracht. Michael war aufgrund seiner Sexualität oftmals homophoben Äußerungen ausgesetzt, hat es aber mithilfe einer LGBTQ+ Gruppe geschafft, seinen Umgang damit zu finden.

Das Schöne an Tell Me Why ist, dass Dontnod Entertainment es geschafft hat, dass die Charaktere einen gefühlvollen Umgang mit Tyler pflegen und er keinem Spott ausgesetzt ist. Am Anfang des Spiels gibt es außerdem einen kurzen Disclaimer mit einem Link zu weiterführenden Informationen zum Game und zum Thema Transgender.

Die Vergangenheit hat gezeigt, dass es oftmals missglückt ist, queere Charaktere in Games einzubauen und dass man dabei so sensibel wie möglich sein sollte. Tell Me Why ist ein positives Beispiel dafür, dass es aber eben doch funktionieren kann, Trans-Personen in Games authentisch und gut zu verkörpern. Diesem Beispiel möchten dieses Jahr einige Indie Entwickler*innen mit Titeln wie Lihue folgen und wir können uns hoffentlich auf Produktionen größerer Studios freuen.

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