Spiele pädagogisch testen

Digitale Spiele sind facettenreich und für Nicht-Spieler*innen oftmals nur schwer zu durchschauen. Eltern wie auch Mitarbeiter*innen aus der Offenen Kinder- und Jugendarbeit können sich schnell überfragt fühlen, wenn Kinder und Jugendliche ein bestimmtes Spiel spielen wollen. In der Regel hilft die gesetzliche Alterskennzeichnung der USK (Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle) dabei, die Spiele einzuordnen, sie liefert aber keine Informationen zur pädagogischen Eignung. Denn auch wenn Spiele keine gewalthaltigen oder gruseligen Inhalte aufweisen, können sie beispielsweise durch komplexe Spielmechaniken oder schwierige moralische Entscheidungen bestimmte Alters- oder Personengruppen überfordern.

Interessierte Einrichtungen, die eine Spieletestgruppe gründen wollen, können sich gerne an uns wenden. Wir unterstützen durch Beratung oder Leihgaben von Hardware oder Spielen.

Ein Jugendlicher spielt und ein Pädagoge schaut ihm dabei zu.
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Thema:
Reflektieren
Einsatzort: außerschulische Jugendarbeit
Zielgruppe: Kinder und Jugendliche ab 8 Jahren
Ziele: Medienreflexion, soziale Kompetenzen, Teilhabe, Medienkritik und -bewertung
Dauer: einmalig oder als wöchentliches Angebot

Material/Technik

  • Spielkonsole oder Gaming-PC

Vorbereitung

Spieletester*in ist ein Traumberuf für viele Heranwachsende. In Jugendeinrichtungen können sie zu Expert*innen werden und erste Erfahrungen im journalistischen Bereich unter pädagogischer Begleitung sammeln. Als wöchentliches Angebot können Fachkräfte eine regelmäßige und nachhaltige Reflexion von digitalen Spielen in der eigenen Einrichtung verankern. Die inhaltlichen Gegenstände dieser Reflexionen können vielfältig sein und reichen von den gängigen Kriterien wie Grafik, Sound und Steuerung bis hin zu Kostenaspekten, Bindungsfaktoren, Alterseinschätzung und inhaltlichen Themen wie Geschlechterbilder. Dabei spielt die Reflexion der eigenen Spielzeit ebenso eine Rolle wie die kreative Auseinandersetzung mit dem Medium und das Erlernen journalistischer Kompetenzen sowie die Selbstwirksamkeitserfahrung, wenn das Ergebnis veröffentlicht wird. 

Im Vorfeld sollten gemeinsam mit den Jugendlichen grundlegende Regeln für das Testen vereinbart werden. Beispielsweise, dass nur Spiele mit entsprechendem USK-Alterskennzeichen gespielt werden, dass man sich gegenseitig abwechselt und dass auch die Meinungen aller akzeptiert werden. Hier sollten auch Regeln für den sozialen Umgang untereinander sowie Verbindlichkeiten klar definiert werden, etwa dass auch ein Spiel ausreichend getestet wird, was nicht den Erwartungen entspricht. Letztlich sollte ein Zeitrahmen festgelegt werden, wann man sich zum Testen trifft.

Die zu testenden Spiele sollten gemeinsam mit den Jugendlichen gewählt werden. Hier sollte auch die Hardware berücksichtigt werden, die in der Jugendeinrichtung vorhanden ist. Die Ausgestaltung des jeweiligen Angebots sowie die Gruppengröße obliegen letztlich der Einrichtung und sind zudem abhängig vom Alter der Teilnehmenden, den technischen Voraussetzungen, dem pädagogischen Konzept und den räumlichen Gegebenheiten vor Ort.

Durchführung

In der Spieletestgruppe werden aktuelle und interessante Computer- und Konsolenspiele sowie Apps kritisch geprüft, die Meinungen und Eindrücke besprochen und anschließend wird ein Test in Text- oder Video-Format erstellt. Hierbei werden die Heranwachsenden von medienpädagogischen Fachkräften oder älteren und erfahrenen Jugendlichen begleitet. Wichtig ist, dass die Arbeit auf Augenhöhe stattfindet. Den Tester*innen wird ein geschützter Raum geboten, in dem sie sich mit ihren Ideen einbringen können, ihre Expertise ernstgenommen wird und mit in die Beurteilungen einfließt. Kinder und Jugendliche fühlen sich erfahrungsgemäß wertgeschätzt, wenn ihr Hobby im pädagogischen Kontext aufgegriffen wird.

Um an dem Angebot teilzunehmen, sind keinerlei Vorkenntnisse notwendig. Vielmehr ist eine Spieletestgruppe so ausgelegt, dass sich jede*r einbringen und am eigenen Vorwissen anknüpfen kann. Nach Möglichkeit sollten auch alle die Gelegenheit haben, das Spiel auszuprobieren, was bei Single-Player-Titeln eine Herausforderung sein kann. Gemeinsam sollte beschlossen werden, in welchem Turnus der Controller gewechselt wird, beispielsweise nach einer gewissen Zeit oder pro Level. Während des Testens sollten auch die Zuschauer*innen auf die vereinbarten Aspekte achten, wie Inhalt, Präsentation, Kosten, Anforderungen, Umfang, Wirkung und Bindungsfaktoren. Hier bietet es sich während des Testens an, in passenden Situationen Diskussionen zu Bezahlmodellen, dem Schwierigkeitsgrad, moralischen Aspekten oder Figurendarstellungen anzuregen. 

Wie lang ein Spiel getestet wird, ist sehr variabel. Je nach Komplexität können hierfür ein Termin ausreichen oder aber mehrere Test-Sessions notwendig sein. Auch der Spielspaß und die Motivation der Jugendlichen sind hier ein entscheidender Faktor. Wurden alle notwendigen Informationen gesammelt, werden diese, oftmals schriftlich, zusammengetragen. Die Ergebnisse als Text zusammenfassen kann durch die Gruppenleitung oder die Jugendlichen selber geschehen. Wie lang oder kurz das Ergebnis ist kann ebenfalls stark variieren. Anschließend besteht die Möglichkeit, die Ergebnisse auf dem Spieleratgeber-NRW unter dem Namen der Gruppe zu veröffentlichen.

Zielsetzung

Gaming eröffnet neue Welten, schafft Selbstwirksamkeitserleben, regt Reflexionsprozesse an und verbindet. Diese Motivation für digitale Spiele wird aufgegriffen, um medienpädagogische Themen zu vermitteln. Ziel ist es, die Kritik-, Reflexions- und Artikulationsfähigkeit von Heranwachsenden zu fördern. Kinder und Jugendliche lernen, ihre eigenen Kriterien zu definieren und zu begründen. Sie können darlegen, warum ein Spiel geeignet oder ungeeignet ist und warum es ihnen gefällt oder missfällt.

Kinder und Jugendliche lernen Medienangebote kritisch zu hinterfragen. Dazu gehören neben (kommerziellen) Interessen der Publisher auch Qualitätsaspekte digitaler Spiele. Bindungsfaktoren, Jugend-, Daten und Verbraucherschutzsaspekte werden von den Teilnehmenden im Laufe der Zeit erkannt und besser verstanden. Zudem werden auch journalistische Fähigkeiten trainiert.

Digitale Spiele können für Menschen ein Bindeglied darstellen, um einander näherzukommen und sich in einer Gruppe als kompetent wahrzunehmen. Voraussetzungen hierfür sind eine gute Zusammenarbeit, sinnvolle Absprachen und gegenseitiges Vertrauen. So werden auch Gruppenprozesse angeregt und soziale Kompetenzen vermittelt. Und auch die Beziehungsarbeit zwischen pädagogischer Fachkraft und den Jugendlichen kann gestärkt werden. 

Variationen

Je nach Zielgruppe kann es sich anbieten, das Angebot anzupassen. So können die Ergebnisse beispielsweise als Video- oder Podcast-Format aufgearbeitet werden. Oder es finden längere Projekte zu einem bestimmten Spiel statt, wenn etwa die Jugendeinrichtung in Minecraft nachgebaut wird. Gruppen können sich auch ein bestimmtes Thema als Schwerpunkt vornehmen und sich beispielsweise als Retro-Tester*innen ältere Games anschauen und diese mit modernen Spielen vergleichen. Der Kreativität sind hierbei keine Grenzen gesetzt.

Als Peer-to-Peer-Projekt können auch erfahrene Jugendliche die Betreuung einer Testgruppe übernehmen.